‚Warum in die Ferne schweifen? Sieh‘, das Gute liegt so nah‘. Angelehnt an Goethes Vers haben sich in diesem Jahr Millionen Menschen überlegt, Deutschlands Schönheiten für sich zu entdecken. Ganz egal ob mit Fahrrad, Auto, Zug oder Wohnmobil – Hauptsache raus auf Meer oder die Berge oder oder. Dabei sind auch Ferien auf dem Hausboot oder dem Campingplatz plötzlich zum Renner avanciert. Dass Deutschland durchaus ferientauglich ist und touristisch jede Menge Schätzchen vorhält ist nichts Neues, aber wir lieben sie trotzdem: die fernen Ziele. Völlig ahnungslos waren wir im Januar 2020 noch in Südostasien unterwegs, träumten von der nächsten Kreuzfahrt, von den Nordlichtern und all‘ den Zielen, die noch auf unserer Reiseagenda stehen. Schnell war er dann aus, der Traum, von neuen Reisen in die Ferne. Corona hat uns zum Umdenken gezwungen.

Berufliche Herausforderungen haben uns dann quasi unverhofft ins sogenannte Magische Dreieck der Ostalb von Deutschland verschlagen. Und ich kann gleich alle Leser beruhigen, es ist keine Bildungslücke, so sehe ich das jedenfalls. Dieses magische Dreieck meint die Städte Dinkelsbühl, Crailsheim und Ellwangen. Was die Städte trennt sind die Kreisgrenzen und die Landesgrenze zwischen Bayern und Baden-Württemberg. Wir hätten das überhaupt nicht bemerkt, wären die Corona-Vorschriften nicht unterschiedliche und an dieser Stelle fragt man sich, wie viel Sinn länderbezogene Regelungen machen. Egal.

Unser „Lager“ war also in Baden-Württemberg, genauer gesagt das Vital-Hotel Meiser ****S in Fichtenau/Neustädtlein und angesehen haben wir uns Dinkelsbühl – laut Focus die schönste Altstadt Deutschlands. Und darüber berichte ich heute.

Dinkelsbühl

Schönste Altstadt Deutschland (Focus)

Mit Superlativen bin ich vorsichtig. Aber ja, Dinkelsbühl hat eine beeindruckende, mittelalterliche Altstadt, die aus vielerlei Gründen sehr sehenswert ist. Was die Altstadt aus- und berühmt gemacht hat ist, dass sie allen Kriegen schadlos davonkommen konnte. Glück für die Stadt war und ist bis heute, dass die Stadtväter diese Besonderheit zu schätzen wussten und die Häuser, die bis zu 500 Jahre alt sind, erhalten haben und zwar so, wie sie einmal erbaut wurden. Der Denkmalschutz liegt heutzutage quasi auf allem, bis hin zu den Hausnummern, die alle Häuser im gleichen Stil aus Malers Pinselspitze zieren. Leuchtreklamen gibt es auch nicht. Was drin ist, im Geschäft, ist wie im Mittelalter mit altdeutscher Schrift ans Haus gemalt. Dazu passt, dass der Hausanstrich nicht irgendeiner sein kann, sondern behördlich genehmigt sein muss. Das Bild von der Stadt, das sich dem Betrachter bietet ist wirklich wunderschön und ein Genuss, die vielen schönen Gässchen zu entdecken. Bei der Stadtführung (sehr empfehlenswert/ Tel. 09851-902440) haben wir vom schönen Dinkelsbühl noch viel mehr erfahren. Zum Beispiel, dass die Zahl der Häuser aus Stein so gering ist, weil es dazumal nur „steinreichen“ Patrizierfamilien möglich war, Häuser aus Stein zu bauen. Bezahlbar war für die meisten Bürgerinnen und Bürger Fachwerk. Und weil man das über die Jahre nicht mehr ganz so schick fand, fing man an, die Fassaden zu verputzen. Auch die Anordnung der Häuserreihen ist spannend, weil sie nämlich versetzt stehen und so der Blick entlang der Straße aus jedem Haus möglich ist. Der Neugier damit nicht genug. In vielen Häusern finden sich nämlich sogenannte Mauerspione. Das sind kleine viereckige Aussparungen an den Ecken, von denen sich das Straßengeschehen beobachten lies, ohne selbst entdeckt zu werden. Auch die Flaschenzüge an vielen Häuserfassaden fallen ins Auge. Sie dienten damals zum Befüllen der Speicher im Dachboden.

Dinkelsbühl

Ganz besonders sehenswert ist das Münster St. Georg in der Dinkelsbühler Innenstadt. Sie gilt als eine der schönsten spätgotischen Hallenkirchen Süddeutschlands, die zw. 1448 bis 1499 erbaut wurde. Die Pläne des Architekten Nikolaus Eseler beinhalteten auch noch einen der Größe angepassten neuen Turm, der aber aus Geldmangel nicht mehr erbaut wurde. Dass die Bürger reichlich für die Erbauung der neuen Kirche gespendet haben, manifestiert sich an einem der südlichen Chorfenster, dem sog. „Brezenfenster“. Das einmalige Maßwerk symbolisiert die Stiftung der Bäckerzunft. Aber nicht nur die waren großzügig. Schaut man genau hin, entdeckt man über den Brezen noch Hammer und Zirkel, das im Mittelalter für die Handwerkerzunft stand. Noch viel mehr wissenswertes über die mittelalterliche Stadt kann man bei einer romantischen Kutschfahrt durch die wunderschönen Gassen erfahren.

Kirche Dinkelsbühl

Wer die Atstadt mit dem Fahrrad oder einem E-Bike besucht, sollte sich Wege abseits größerer Straßen durch die vielen kleinen schönen Dörfer aussuchen und vorher oder nachher den historischen Friedhof in Segringen (ca. 10 Fahrradminuten von Dinkelsbühl entfernt) besuchen. Die Grabkreuze der überwiegend evangelischen Bürger tragen außer exakten Angaben über Lebensdauer und Beruf auf der Rückseite jeweils ihre Konfirmationssprüche, die sie im Leben begleitet haben.

Historischer Friedhof

Vital-Hotel Meiser ****S, Fichtenau/Neustädtlein

Die Wahl viel auf das Wellness-Hotel, weil wir eben nicht nur Kultur, Action und Arbeit wollten, sondern auch Erholung, Wellness – ein bisschen Verwöhnprogramm eben. Und da ich – wie in diesem Fall – auch ohne Kooperation schreibe tue ich mir leichter mit Dingen, die nicht ganz so rund laufen.

Der erste Eindruck: von außen und innen schön – keine Frage und zudem das, was man erfahrungsgemäß von ****S erwartet.

Sehr rund und super organisiert läuft es im Hinblick auf Corona. Corona SchutzDie Tische in ausreichenden Abständen, Personenbegrenzung im Buffetbereich, alle Mitarbeiter mit Maske bzw. Plastikschild. Wir hatten die Meisers Verwöhnpension und wurden quasi von Früh bis Spät kulinarisch verwöhnt. Vielfältig, frisch, regional und lecker zu allen Mahlzeiten. Vor allem abends hätten wir uns manchmal mehr Abwechselung gewünscht, was die deliziösen, selbstgemachten Soßen deutlich wett gemacht haben. Nicht überbewerten – das ist ein bisschen Jammerei auf hohem Niveau. Was die Wahl unseres Weines angeht, waren wir allerdings belustigt, weswegen ich euch die Anekdote dazu nicht vorenthalten möchte. Man muss wissen, dass wir keine Weinkenner sind, sondern nach Geschmack entscheiden. Und irgendwie ist auf so einer Weinkarte dann auch hilfreich, wenn außer der Weinsorte, dem Namen, der Herkunft und dem Jahrgang, so ganz einfache Hinweise wie: halbtrocken, lieblich oder trocken stehen. In dieser Weinkarte nichts davon, sondern (Originalauszug):

… Exotische Frucht, feine Würze. Duftet herrlich nach grünem Apfel und schmeckt erstmal ziemlich abgefahren nach Melone und Stachelbeere.

Die freundliche Bedienung kam auf Rückfrage mit der Info, dass es einfach der Klassiker sei, ja halt klassisch. Köstlich fanden wir das und bestellten diesen „abgefahrenen“ Wein. Dass uns dieser anschließend vom Jahrgang darauf gebracht wurde, passte in die Reihe der Klassiker. Schwamm drüber, immerhin traf er unseren Geschmack.

Zu dieser Art der Bedienung passt nicht ganz so gut, dass der Senior Chef des Hauses regelmäßig an unseren Tisch kam, sich nach unserem Befinden erkundigte und uns allerlei wertvolle Tipps für unsere Ausflüge in die Umgebung mit auf den Weg gab. Man muss wissen, dass der Hotelier sich in der alten Schule der Hotellerie versteht und weitere Hotels sowie Gastronomie sehr erfolgreich in der umliegenden Region betreibt. Zu meinem Geburtstag schenkte er mir sogar ein Ständchen auf dem Schifferklavier – zusätzlich zu Kuchen mit Kerze. Wundervolle Momente, die ich sehr genossen habe.

Zimmer

Wir hatten eine Junior-Suite, die Turmresidenz. Schön, groß, sauber, hell mit Balkon – was will man Kleiderbügeleigentlich mehr. Ja ich will mehr, nämlich Bügel und zwar die ganz normalen. Hier brüllte es mir aber gleich aus dem Kleiderschrank entgegen: „Du willst mich sicher klauen“. Ergo: meine Gastgeber glauben, ich klaue. OK. Ich weiß, dass Hotelgäste auch diebisch sein können und mitnehmen, was nicht angeschraubt oder angekettet ist. Dass wir anders sind, kann keiner wissen. Beleidigt bin ich trotzdem.

Beim Blick ins Badezimmer stören sofort die fehlenden kleinen Utensilien (Wattepads etc.) – bis auf die Handseife. Nicht, dass ich sie bräuchte. Dennoch machen sie das Bad nett und mein Auge hat sich über die Jahre daran gewöhnt. Corona-Regeln verbieten das jetzt, war die Antwort auf meine Nachfrage an der Rezeption. Viel weniger schön fand ich die Tatsache, dass ich kein Face Towel haben konnte. Ihr wisst schon, die kleinen quadratischen Gesichtshandtücher, also nichts aufwendiges. Das gibt es in diesem Hotel aber nicht.

Nun mal zur Nacht oder besser gesagt zum Bett. Schön und groß, aber unbequem. Nach 2 Nächte in der Kuhle schlafen überzeugte sich der Hausmeister höchst selbst, dass die Schlafqualität trotz amerikanischer Matratze mangelhaft ist. Und weil der – so wie unser Zimmermädchen – wirklich super nett war, hatten wir ab der 3. Nacht eine Nagelneue und durften ab sofort schlafen wie die Engel.

Wellness, Spa & Gym

Hier gab’s wirklich nichts zu meckern, auch nicht an fehlendem Corona-Schutz. Ich finde, die Bilder überzeugen und laden in die große Badelandschaft ein. Ein dickes Plus gebe ich dem Gym. Neueste Geräte warten dort auf Bewegungsfans. Aufgrund des wirklich miesen Wetters hat mir eine Sonnenbank gefehlt. Schade, aber man kann eben nicht alles haben.

Service an der Rezeption

Rechnung
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Ich bin kein rohes Ei und auch keine Extrawurst, aber ein Gast. Als dieser erwarte ich dafür eine gewisse Gastlichkeit, ein Kümmern um meine Wünsche und Anliegen. Sprich Gastgeber, die mich spüren lassen, dass ich willkommen bin. Ganz besonders stehe ich auf Empathie, Zugewandtheit und natürliche Herzlichkeit. In Prospekten und auf Homepages nennt man das gerne ‚familiär‘. Schade, dass es hier mit der Gastfreundschaft nicht immer klappt, was uns bereits beim Einchecken aufgefallen ist. Die Assistenz beschränkte sich darauf, uns die Zimmerkarten mit dem Hinweis zu überreichen, dass unsere Suite in der 3. Etage ist; erreichbar über den Aufzug gleich rechts. Man ging wie selbstverständlich davon aus, dass wir das mit dem Gepäck selbst via Kofferwagen in die Hand nehmen. Und ich glaube, ein Haus wie dieses mit Preisen wie diesen könnte auf eine Faxgebühr von 0,15 EUR gut und gerne verzichten. Da bleibt beim Auschecken ein sehr fader Beigeschmack.

Vielleicht sollte ich mich zukünftig als Hoteltester verdingen, weil ich so viele Kleinigkeiten sehe, die für andere möglicherweise völlig belanglos sind. Sensibelchen eben.

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