Das Institut für Schnee- und Lawinenfirschung (SLF) in Davos ist ein interdisziplinäres Forschungs- und Dienstleistungszentrum. 180 Mitarbeiter*innen (darunter um die 25 Doktoranden der Physik und Verfahrenswissenschaften) forschen hier zu den Themen Schnee, Atmosphäre, Naturgefahren, Permafrost und Gebirgsökosysteme und entwickeln innovative Produkte für die Praxis zur besseren Vorhersage und Katastrophenabwehr.

Regelmäßig finden Führungen statt, in der sich Interessierte über die Projekte und den Stand der Forschung  informieren können. Neben eindrucksvollen Dokumentationen über Lawinenabgänge, Felsstürze und Murenabgänge sowie Erläuterungen der Meßinstrumente und Rechenmodelle, kann auch eine Kältekammer besichtigt werden; der  Windkanal leider nicht.

Wie gliedert sich das SLF und welche Aufgaben hat es?

Im SLF werden nicht nur die Schneeverhältnisse und Klimaänderungen des Schweizer Alpenraumes untersucht, sondern auch die Schnee- und Eissituation in der Antarktis. Mindestens ein SLF-Mitarbeiter ist stets vor Ort. 2025 waren dies der Spanier Sergi González-Herreron und Österreicher Dr. Michael Haugeneder mit zwei weiteren Kollegen für eine Arktis-Expedition namens „Contrast“. In den den Kältekammern des Institutes lagern daher auch dutzende Schnee- und Firnproben sowie Bohrkerne aus der Polarregion. Diese können bei Bedarf unter bestimmten Aspekten Stück für Stück analysiert werden, denn bei entsprechender Kältelagerung unter Luftabschluß unterliegt der aufbewahrte Schnee so gut wie keiner Veränderung.

Internationalität ist der Schlüssel zum Erfolg, denn die Schweiz ist auf diesem Gebiet höchst renommiert und weltweit führend“, so der Amerikaner Dr. Michael Lombardo. Zwar gebe es noch  kleinere Institute in Grenoble (FRA), Innsbruck (AUS), Montana (USA) und Japan,  aber die umfassende Grundlagenforschung am SLF sei einzigartig. Michaels  Spezialgebiet sind besonders schwer berechenbare Naßlawinen.

Über die aktuelle Schneesituation und eventuelle Gefahrenlagen kann sich jeder täglich kostenlos über die Website des SLF informieren.

Das SLF gehört zur Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) und damit zur eidgenössisch-technischen Hochschule in Zürich (ETH). Es erforscht verschiedene Aspekte rund um den Schnee wie zum Beispiel seinem Aufbau und seine  Veränderungen unter verschiedenen Bedingungen. Sei es, um heraus zu finden, wie sich schwache, rutschgefährdete Schichten in der Schneedecke bilden, oder wie Materialien (z.B. Skibeläge) am besten auf Schnee gleiten. Eine weitere Kernkompetenz ist die Untersuchung darüber, wie Lawinen entstehen und sich im Gelände bewegen. 

Außerdem arbeiten die Forschenden an Schutzmaßnahmen zur Optimierung des  Risikomanagements. Das SLF bietet daher für die Öffentlichkeit diverse Dienstleistungen an, wie ein Lawinenbulletin, Beratungen zu Lawinenschutzmaßnahmen im Straßen- und Städtebau, Expertisen zu Lawinenunfällen sowie die Entwicklung von Warnsystemen für Naturgefahren.

Es geht vorwiegend darum, wie sich der „Schnee von morgen“ verhält

Die Verknüpfung von Wissenschaft, Praxis und Öffentlichkeitsarbeit hat am SLF eine lange Tradition. Bereits seit 1945, als der zur Schweizer Armee gehörende Lawinenwarndienst dem SLF angegliedert wurde, befindet sich das Institut in der vorteilhaften Situation, daß Forschung und Anwendung „unter einem Dach“ stattfinden.

Schnee und Atmosphäre

Diese Forschungseinheit untersucht die physikalischen Eigenschaften von Schnee sowie deren Austauschprozesse mit Boden und Atmosphäre. Ziel ist ein tieferes Verständnis der Bildung von alpinen Gefahren wie Lawinen, Hochwasser und Hanginstabilitäten sowie der Interaktionen zwischen Kryosphäre und Klimaveränderungen.

Der Bereich untersucht ferner die Mikrostruktur und Metamorphose des Schnees. Mit der Struktur ändern sich nämlich fortwährend auch die Materialeigenschaften von Schnee, so  zum Beispiel die Dichte. Während ein Kubikmeter Neuschnee so viel Luft enthält, dass er gerade 50 bis 100 Kilogramm wiegt, können es bei älterem, gesinterten Schnee  gut 400 Kilogramm sein. Dies ist eine wichtige, grundlegende Erkenntnis, um die auf der Makroebene ablaufenden Veränderungen in der Schneedecke verstehen zu können. Diese sind: Lawinenbildung, Wassertransport, Interaktionen des Schnees mit Fahrzeugen und Sportgeräten. So lässt sich herausfinden, welche Rolle der Schnee, die Hangneigung sowie der nasse oder gefrorene Boden bei der Entstehung von Naturgefahren spielen, wie sie das Klima der Erde beeinflussen und wie sich globale Klimaänderungen auf die Entstehung des Permafrostes auswirken.

Die Versuche dazu finden auf Testflächen im Gelände statt wie z.B. auf dem oberhalb von Davos gelegenen Weißfluhjoch und dem Lawinenbunker von Arbaz. Aber auch in Laboratorien wie Kältelabors und Windtunneln mit Hilfe von Computertomograph, etc. In Experimenten können so die mechanischen und optischen Eigenschaften unterschiedlicher Schneearten genau ermittelt werden. Den Schnee dafür wird entweder der Natur entnommen oder im Labor mittels einer „Schneemaschine“ naturidentisch produziert. So hat man die Möglichkeit vergleichende Experimente rund ums Jahr durchzuführen. Denn, verändern sich Temperatur und Luftfeuchtigkeit, entstehen unterschiedliche Schneekristallformen. Da sich die Schneekristalle in einer Wolke frei bewegen können, bilden sie dort meist 6-eckige symmetrische Kristalle, während sie an den Nylonfäden des „Snowmakers“ meist verästelt nach unten wachsen. Im Grunde besteht der sog. technische Schnee, wie er bei der Pistenbeschneiung eingesetzt wird, aus kleinen Eiskügelchen und nicht aus natürlichen filigranen Kristallgebilden. Dank der Computertomographie läßt sich Schnee heute scannen und jegliche Veränderung in 3-D beobachten. Wer länger in den Kältelabors arbeitet, braucht natürlich ordentliche Wärmeoveralls. Als Besucher hält man sich nur einige Minuten darin auf und merkt so die trockene Kälte kaum. 

Die Firschungsergebnisse fließen in die Entwicklung von numerischen Modellsystemen ein, die in der Klimaanalyse und in der Gefahrenwarnung angewendet werden. So liefert das SLF für die Prävention und Vorhersage von Hochwassersituationen insbesondere während der Schneeschmelze regelmäßig schneehydrologische Analysen an die verantwortlichen Stellen beim Bundesamt für Umwelt (BAFU). Weitere Partnerschaften bestehen zu Institutionen der Kryosphärenforschung, Herstellern von Hochleistungsrechnern und der Modellentwicklung, aber auch zu Warnungs- und Sicherheitsdiensten sowie der Industrie.

Lawinen und Prävention

Diese Forschungseinheit untersucht im Auftrag des Schweizer Lawinenwarndienstes die Entstehung und Dynamik von Lawinen mit dem Ziel, Ort und Zeitpunkt, sowie Wirkung von Lawinenereignissen besser vorhersagen zu können. Mit Hilfe von Experimenten im Labor und Untersuchungen im Feld entwickelt sie Prozessmodelle.

Das Lawinenbulletin informiert die Bevölkerung täglich über die Lawinensituation und warnt vor eventueller Lawinengefahr in einem 5-Stufen-System. Ein umfangreiches Messnetz von Beobachtern und automatischen Stationen liefert die Grundlagen dazu. Auch diese Einheit entwickelt Warn- und Informationssysteme für Behörden sowie lokale Sicherheitsdienste.

Wie sich ein Bruch in der Schneedecke – also eine Lawine – ausbreitet, hängt nicht allein  von Menge, Hanglage und Temperatur ab, sondern u.a. auch von ihrer räumlichen Homogenität. Lawinen können mit einer Geschwindigkeit von bis zu 300 Stundenkilometern zu Tal donnern und bekanntermaßen großen Schaden anrichten. Anschaulich wird dies im Rahmen der Führung durch entsprechendes Videomaterial gemacht. Dabei ist anzumerken, daß die meisten Lawinen von Menschen selbst (meist Tourengeher oder Skifahrer abseits der gesicherten Pisten) ausgelöst werden. Bisher war bekannt, daß diese Lawinen oder Schneebretter von einer Person oberhalb des Geschehens ausgelöst werden. Neu ist die Erkenntnis, daß dies auch von einer Position unterhalb des Bruches der Fall sein – und der Täter so auch zum Opfer werden kann. Wie und wann Brüche entstehen, ist bei spontanen Lawinen bisher allerdings nicht bekannt.  Mit Belastungsinstrumenten bzw. mittels eines sog.  Scherapparates untersucht man am SLF eben diese Prozesse an Modellen.

An besonders gefährdeten Stellen, wo sich zum Beispiel durch regelmäßige Höhenwinde immer wieder Schneeverwehungen anlagern, wird heute nicht mehr per Sprengmittelabwurf aus dem Helicopter gesprengt. Dies erfolgt inzwischen durch Installation fester Sprengstationen, die per Funk als kontrollierte Präventivmaßnahme ausgelöst werden. 

Eine weitere zentrale Aufgabe ist die Öffentlichkeit im Bereich des Lawinenschutzes zu beraten und Methoden zum risikobasierten Umgang zu entwickeln. Beispielsweise gibt es für Davos einen Lageplan, in der genau festgehalten ist, wo gar nicht und wenn, nur unter strengen Auflagen gebaut werden darf. Solche Auflagen können beispielsweise eine   Erdwallaufschüttung bis zur Dachhöhe zur Bergseite hin sein oder Fenster mit Hochsicherheitsglas. Extrem wichtig ist ferner der Schutz von Straßen und Verbindungswegen durch Schneegatter, Drahtzäune, Aufforstung, Straßengalerien und Tunnelbauten.

Alle Erkenntnisse aus Forschung und Entwicklung werden laufend umgesetzt und fließen in die intensive Lehr- und Ausbildungstätigkeit ein. Die Gruppe arbeitet nicht nur eng mit anderen Forschungseinheiten an der WSL zusammen, sondern auch mit anderen Partnern im In- und Ausland. Dazu gehören nationale und internationale Forschungsinstitutionen, kantonale und Bundesbehörden sowie Industrie, Verbände und Institutionen der öffentlichen Sicherheit und des Tourismus.

Alpine Umwelt und Naturgefahren

Diese Einheit analysiert die Auswirkungen der Klimaänderung und Extremereignissen auf physikalische und ökologische Prozesse sowie Prozessketten in Gebirgsregionen und damit verbundenen neuen Risiken. Den Forschern geht es um ein besseres Verständnis der sich verändernden Prozesse, der Identifizierung komplexer Interaktionen und damit der Früherkennung und Einschätzung der wichtigsten Auswirkungen für Umwelt und Gesellschaft. Der thematische Fokus liegt dabei auf folgenden fünf Forschungsgruppen: Permafrost, RAMMS Rapid Mass (darunter versteht man eine Software zur Berechnung der Gefahren-Abwehrmaßnahmen-Relation), Gebirgsökosysteme, Alpine Fernerkundung und Alpine Massenbewegung. Inter- und transdisziplinäre Forschung mit anderen Forschungseinheiten der WSL, nationalen und internationalen Forschungsinstitutionen und der Praxis ist dabei stets die Grundlage.

Um gesteckte Ziele zu erreichen, wird eine breite Palette von Methoden und Ansätzen angewandt. Dazu gehören modernste thermische und multispektrale Messgeräte, Verarbeitungstechnologien sowie die Entwickelung von Prototypen und maßgeschneiderten Techniken wie z. B. für Drohnen und bodengestützte Systeme. Langzeitüberwachungssysteme im Hinblick auf Permafrost und Biodiversität sowie Feldexperimente im Hinblick auf Steinschlag in Kombination mit Schutzwäldern bilden dabei die Basis der Entwicklung numerischer Modelle für Wissenschaft und Praxis. Um plausible, realistische Szenarien für die Zukunft der alpinen Umwelt zu erstellen, sind die Modelle mit Klima- und Extremwetterszenarien verknüpft. 

Instrumentanbau und Meßanlagen

Kaum ein dafür benötigtes Instrument läßt sich aus dem Katalog bestellen bzw. ist auf dem Markt fix und fertig erhältlich. Genau dafür gibt es am SLF das „Team Versuchsanlagen“, das aus Konstrukteuren, Mechanikern und Elektronikern besteht. Die speziellen Wünsche der Forschenden an die Vorrichtungen fordern dieses Team immer wieder aufs Neue heraus, kreative Lösungen zu finden. Fast alles sind Eigenentwicklungen. Von schweren Metallbauten bis hin zu winzig kleinen Messsensoren wird alles im Hause erstellt. Auch der Unterhalt der verschiedenen Anlagen, die vielfach ohne Unterbrechung in Betrieb sind, wird von diesem Team gewährleistet.

Eine maßgebliche Erfindung ist z.B. der SnowMicroPen, mit dem man den Eindringwiderstand des Schnees mißt, um Radarmessungen und Schneeprofile besser verstehen zu können. So können die härteren und weicheren Schichten einer Schneedecke bzw. die Schneeeigenschaften schneller gemessen werden, als mit der bisherigen sog. Rammsonde. Und dies vor allem, ohne zuerst mühsam ein 1-2 Meter hohes Schneeprofil zu graben. Vor einigen Jahren habe ich selbst an einem Lawinenschutzkurs im Wallis teilgenommen und weiß, wie anstrengend das Abstechen bzw. Erstellen eines aussagekräftigen horizontalen Schneeprofils im Gelände ist.

Für Wintersportler besonders interessant, ist das Kernstück des Skilabors, das sog. Eis- und Schneetribometer. Mit ihm können die Gleiteigenschaften von Belägen, Wachsen und Schliffen getestet werden.

Das alles hat natürlich seinen Preis und wird fast ausschließlich aus Schweizer Steuermitteln finanziert. Allein der Bau des neuen Gebäudekomplexes kostete 1996 rund  11 Millionen Schweizer Franken. Zuvor war das Institut in einer kleinen Hütte auf dem Weißfluhjoch untergebracht. Das Jahresbudget für Personal- und Sachmittel beträgt inzwischen rund 17 Millionen Schweizer Franken. Mehr als 50% davon stammen aus dem Finanzierungsbeitrag des Bundes für den WSL; der Rest aus projektgebundenen Drittmitteln.

Fazit

Schnee kann man nicht nur fühlen, man kann ihn auch in vielfältiger Weise hören. Trockener Schnee quietscht gerade bei sehr kalten Temperaturen unter den Füßen ganz ähnlich wie runde Sandkörner mit hohem Quarz- bzw. Silikatanteil bei geringer Feuchtigkeit. Beim Betreten brechen die dann spröden winzigen Eiskristalle nämlich millionenfach gleichzeitig und reiben aneinander. Das Tosen einer Lawine entspricht einem tiefen Grollen, das an das Dröhnen eines Flugzeugs oder das Rauschen eines mächtigen Wasserfalls erinnert. Dieser Lärm entsteht ebenfalls durch die Reibung von Schnee und Eis bei der Luftverwirbelung. 

Schnee und Eis sind faszinierend und furchterregend zu gleich, da sie ja nur ein anderer Aggregatzustand von Wasser sind. Es ist übrigens ein Mythos, daß die Inuit mehr als hundert Wörter für Schnee haben. Viele Sprachen kennen präzise Angaben zur Art des Schnees aufgrund besonderer Wetterlagen, wie zum Beispiel: Altschnee, Blutschnee, Brettschnee, Faulschnee, Filzschnee, Firn, Flugschnee, Harsch, Windharsch, Schmelzharsch, Bruchharsch, Industrieschnee, Kunstschnee, Lawinenschnee, Lockerschnee, Nassschnee, Neuschnee, Pappschnee, Pulverschnee, Schwimmschnee, Sulz, Triebschnee und Wildschnee. Letztlich alles eine Frage der Bedrohung und Gefahrenabwendung dieses Naturphänomens. Wir alle wissen, daß sich die Natur nur sehr bedingt zähmen läßt und das Verständnis darüber der einzig sinnvolle Weg zum Umgang mit ihr und ihren Ressourcen ist.

 

 

 

 

 

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