Es ist im Leben nicht anders als im Fashionbiz:
Anders sein braucht Mut. Rebellion. Widerstand. Trotz. Selbstbewusstsein. Stärke.
Trotzdem oder gerade deswegen habe ich es in meinem Leben immer gehalten, wie Coco Chanel es einmal in den schönen Satz gepackt hat: „Don’t be like the rest of them Darling“. Ich glaube, ich würde mich erinnern, wenn ich mir in jungen Jahren über meine heimliche Rebellion Gedanken gemacht hätte. Und ich denke dabei so an die Jahre zwischen 20 und 45, die ich rückblickend schon durchgehend als jung empfinde.
Aber NÖ, ich habe mein Anderssein gar nicht bemerkt oder keine Zeit gehabt, mich darum zu kümmern.
Ich habe es einfach so gelebt. Ein Leben neben dem, was als „normal“ gilt mit Klamotten, die in meinem Job genauso wenig normal waren und bis heute sind. Dazu muss man wissen, dass ich beruflich im Versicherungswesen tätig war und in meiner Position nichts anderes üblich, als Business Style, sprich Kostümchen oder Anzug. Dass ich schon damals in destroyed Jeans, hohen Schuhen und meistens ausgefallenen Blazern bei Kundenterminen aufgetaucht bin, hat niemanden gestört und „verkleidet“ hätte ich mich sowieso nicht.
Mit „verkleidet“ meine ich, dass ich nicht in etwas reinschlüpfe, das ich nicht bin, in dem ich mich nicht wohlfühlen kann. Das mir weder gute Laune macht, noch eine Mindest-Identifikation zu meiner Person schafft.
Schlussendlich muss doch halbwegs passen, in was man reinschlüpft im Leben, seien es nun Rollen, Berufe oder Klamotten.
Apropos Klamotten: Was Frauenthemen wie Kleidung, Hairstyling oder auch Accessoires angeht, kann ich nur allen Damen raten, machen Sie Ihr Ding und scheren Sie sich nicht zu viel um das, was die anderen sagen.
Genau: die Haare dürfen lang bleiben, die Lippen rot und die Jeans zerrissen. Ich schreibe das, weil ich überzeugt bin, dass es wichtig ist, Frauen Mut zu machen, sich auszuprobieren, neue Seiten an sich zu entdecken, einfach mal was wagen. Und in der Mode gehen Sie damit – außer vielleicht einer dummen Bemerkung – überhaupt kein Risiko ein. Plumpe Bemerkungen bekomme hie und da übrigens auch, aber das ist eben so, wenn man mit fast 60 als Casual Wear noch keine Funktionsweste trägt und auch keine Hosen mit praktischem Zip-Off vorhält. Nicht falsch verstehen, als Wander- oder Trekking-Hose lasse ich mir das natürlich gefallen. Dennoch beobachte ich, dass sich meine Wahrnehmung geändert hat und meine vom Normal abweichende Einstellung zum Lifestyle sichtbarer und spürbarer ist, als früher. Man staune: genau in einem Alter, in dem wir eigentlich schon gar nicht mehr gesehen werden. Auch das ist mir ein dicker Dorn im Auge. Die Unsichtbarkeit der Generation 50plus, die einerseits bald die Hälfte unserer Gesellschaft ausmacht und andererseits auf den Laufstegen immer noch unterrepräsentiert ist. Liebe Damen, wir haben also noch reichlich Potential, Mut und Stärke zu zeigen, um an den geübten Bildern und gewohnten Attitüden zu rütteln. Und schließlich sollten wir auch nicht vergessen, dass es keine Katastrophe ist, die 50 oder gar 60 zu überqueren. Haben wir doch alle die Chance, sie zu einem lebensbejahenden Lebensabschnitt zu machen, in den wir mit einer Menge Erfahrung bepackt, genauso stark wie schön eintauchen können. Also nur Mut!