Kaum ein Tier ist derzeit so umstritten wie der Wolf und man hört immer wieder von neuen Wolfsrudeln, die den Weg nach Deutschland finden. Ich kann sowohl die besorgten Eltern, als auch die Schäfer verstehen, die einen sog. Problemwolf im Revier haben oder gar schon angegriffen wurden.
Aber Wesen und Natur der Wölfe haben mich schon immer fasziniert und ich wollte sie mal in mehr oder weniger freien Wildbahn beobachten.
In den spanischen Pyrenäen hatte es vor einigen Jahren mit einer Sichtung nicht geklappt; obwohl die scheuen Tiere sicher in der Nähe waren. Wahrscheinlich haben sie uns trotz Flüsterton gehört und wahrgenommen, wir aber haben sie auf unserer Pirsch nicht zu Gesicht bekommen.



Wölfe hautnah in natürlicher Umgebung erleben
In einem französischen Wolfsreservat (120 ha) sollte es nun klappen, mehr über diese schlauen Tiere zu erfahren und sie in natürlicher Umgebung aus nächster Nähe zu sehen. Im Parc Sainte-Croix in den Lothringischen Wäldern (nahe Rhodes/ Saarburg) gibt es seit einigen Jahren die Möglichkeit von Unterständen und aus Baumhäusern aus verschiedene Tiere zu beobachten. Einige dieser Natur-Lodges sind wie Hobbit-Wohnungen halb in die Erde gebaut und innen komfortabel mit Sauna und Kamin ausgestattet. Sie tragen so klingende Namen wie „Yellowstone“, „Jack London“ oder „Trapper-Hütte“. Auf Du und Du mit dem Wolf sitzt man auf einer Terrasse hinter einer großen Glasscheibe und kann es den Wölfen überlassen, ob sie neugierig näherkommen oder sich nicht blicken lassen.
Wir haben uns für die preiswertere „Variante Baumhaus“ entschieden, um die Tiere im Rudel von oben ganz natürlich sehen und heulen zu hören. Es versteht sich, daß Füttern und nächtliches Heruntersteigen aus Sicherheitsgründen verboten ist.
Wölfe – egal, ob Polar-, Grau- oder Timberwölfe – treten fast ausschließlich im Rudel auf, sind extrem anpassungsfähig und wenn’s darauf ankommt gute Teamplayer. Das Rudel bzw. der Familienverbund besteht dabei aus den Eltern und den Nachkommen aus den vorangegangen Jahren. Wölfe werden erst mit ca. zwei Jahren geschlechtsreif. Dabei bleiben die jungen Wölfe bis zur Geschlechtsreife bei ihrer Familie. Die Jungwölfe kümmern sich dabei um die Aufzucht der Wolfswelpen und nehmen teilweise auch Helferfunktionen bei der Jagd ein.
Mit zwei bis drei Jahren wandern diese Jungwölfe dann ab und suchen sich ihr eigenes Wolfsrevier. Auf der Suche nach einem eigenen Revier und einem Partner können sie viele hundert Kilometer zurücklegen. In der Regel bleiben Wölfe ein Leben lang mit demselben Partner zusammen.
Der Wolfsvater (Alpha-Wolf) zeigt seinen hohen sozialen Status durch örtliche Positionen, Körperhaltung, Mimik und kleine Gesten. Beim Liegen bevorzugen sie vielfach eine grössere Individualdistanz. Die Wolfsmutter muss nicht der grösste und stärkste Wolf im Wolfsrudel sein, sie zeichnet sich meist durch Erfahrung, Ruhe und einer gewissen Überlegenheit aus. Kämpfe und Aggressionen im Wolfsrudel werden nach Möglichkeit vermieden.
Nach einem Rundgang über das Gelände und einem köstlichen Abendessen werden wir per Elektroauto wieder zu unserer Hütte gebracht. Im unteren Bereich sind Bad und Toilette installiert, auf der oberen Plattform der Wohn-/ Schlafraum samt Terrasse. Noch ist der Wald voller Stimmen, aber langsam wird es ruhiger, weil die Tagesgäste den Park um 18.00 Uhr verlassen müssen.
Die Fütterung steht an und schon sind hinter Ästen im Dickicht die ersten Timberwölfe zu sehen. Obwohl sie das Terrain, das von kleinen Bachläufen durchzogen ist, genau kennen, tastet sich zunächst nur einer auf die kleine Lichtung voran, wo einige Fleischbrocken ausgeworfen wurden. Auch die Pfleger betreten das Naturgehege nie, um das Geschehen stets der Natur zu überlassen. Der Leitwolf schnuppert an einem Stück, dann näheren sich andere Tiere, fressen aber noch nicht. Einige kuscheln sich fast aneinander, andere halten eher Abstand. Sie wissen offensichtlich, daß genügend Futter für alle da ist und fressen daher ruhig und zeitlich etwas versetzt (Dauer ca. 30 Minuten). Einzelne Tiere und Kleingruppen von drei Tieren zerren ihren Brocken in eine uneinsehbare Mulde. Insgesamt dürften ca. zehn Wölfe am Jausen sein … Wir wagen kaum zu atmen, Gänsehaut-Feeling. Männliche und weibliche Tiere verstehen wir kaum zu unterscheiden.
Zuvor hatten wir an anderer Stelle fünf Polarwölfe um einen Felsen herumtollen sehen. Hier und da ein kurzes Knurren, ein Zähnefletschen, allenfalls ein spielerisches Gezänk. Im Rudel befinden sich auch Welpen. Ob diese noch gesäugt wurden oder von den Eltern zerkleinertes Fleisch erhielten, konnten wir leider nicht sehen.


Noch eine ganze Weile sitzen wir mit einem Glas Wein auf der Terrasse und zum Spaß stimme ich ein Geheul an, als ich plötzlich kurz „Antwort“ erhalte. Als wir schon in unseren Bettchen liegen, setzt das Nacht-Geheul erst richtig ein. D.h. die Tiere kommunizieren miteinander. So plötzlich wie es begann, stoppt das Geheul nach ca. fünf Minuten auch wieder. Der Wind läßt die Äste knacken und ein kurzer Regenschauer geht nieder, und irgendwann schlummern wir sanft ein. Es ist schon fast acht Uhr als wir unter uns ein Trappeln auf der Holztreppe hören. Unser Frühstückskörbchen wird gebracht und nett mit karierten Servietten serviert. Auch das Wolfsrudel war wohl eher Langschläfer, morgens hat sich jedenfalls „kein Schwanz“ mehr blicken lassen. Sei‘s drumm …


Mein Tipp
In diesem Resort leben noch viele andere Tiere wie Bären, Geier und Lemuren … fahren Sie doch mal hin und finden es heraus.
Und unbedingt an der Fütterung der Bären teilnehmen bzw. selbst Futter im Gehege verstecken. Die cleveren Kraftprotze finden in kurzer Zeit einfach alles, in dem sie sich entweder systematisch durch das Gehege schnüffeln oder gezielt den ein oder anderen Baumstamm anpeilen und herumwuchten.
