Helgoland ist Deutschlands einzige Hochseeinsel und steht darüber hinaus für ein Stück Geschichte. Sie liegt 36 Seemeilen bzw. knapp 70 km vor Cuxhaven in der Nordsee und ist für ihr rotes Gestein samt der „Langen Anna“ und den Vogelklippen bekannt. Seit 2003 bzw. 2018 kann man die Hauptinsel bequem in vier Stunden ab Hamburg (inkl. Halt in Brunsbüttel und Cuxhaven) mit dem „Halunder-Jet“ der FRS Helgoline erreichen. Wenn die Sonne lacht, sind die insgesamt knapp 170 Kilometer ab Hamburg ein wahres Vergnügen. Rundtour-Tickets sind ab 90.- Euro zu haben.

Der Sansibar gegen Helgoland – „Tausch“

Gelebte Globalisierung gibt es nicht erst seit diesem Jahrtausend. Zunächst hatten Dänen und Engländer das sagen, bevor es 1890 im Rahmen eines Vertrages zwischen dem Deutschen Reich und Großbritannien zum Austausch von Kolonialinteressen auf dem afrikanischen Kontinent kam und Helgoland im Gegenzug deutsch wurde. Ein halbes Jahrhundert später endeten die Machtinteressen beider Länder nicht so friedlich. In den letzten Kriegstagen (18.04.1945) legte die Royal Air Force Helgoland mit seinem Marinestützpunkt buchstäblich in Schutt und Asche. Tragisch für die Helgoländer, denn eine Widerstandsgruppe wollte das Eiland just in diesen Maitagen widerstandslos übergeben. Zwei Jahre später gab es seitens der Briten sogar das Ansinnen mit 6.700 Tonnen Sprengstoff das gesamte Felsplateau mit samt der dort lagernden Restmunition in die Luft zu sprengen. Die Insel überlebte den „Big Bang“ und wurde 1952 zur Wiederbesiedelung frei gegeben.

Schon vor dem 2. Weltkrieg war es mit einem Tunnel- und Bunkersystem zur Festung ausgebaut worden, galt zugleich aber auch ein bekanntes Kurbad mit schicken Pavillons und Hotels. Bis heute wird das Hochseeklima zur Behandlung von Lungen- und Bronchialleiden geschätzt, da die Luft quasi allergenfrei ist.

Ein Katamaran der modernen Generation

Meist verläßt der gepflegte Personen-Jet Hamburg gegen 08.30 Uhr. Dann herrscht an den Landungsbrücken reges Treiben. Koffer und andere Güter werden verladen, die letzten Tickets abverkauft. In der Regel reserviert man online, kann aber auch an der Kasse noch buchen. Alles ist gut organisiert und in wenigen Minuten sind alle Passagiere an Bord. Zirka die Hälfte der Gäste steigt ohnehin erst in Cuxhaven zu. Der Jet ist 56,5 Meter lang, 14 Meter breit, hat 2,5 Meter Tiefgang und eine Düsenantriebsstärke von 4 x 2240 KW. Dank seinen 12.000 PS kann der stabil gebaute und gut über das Wasser gleitende Katamaran bis zu 67 Stundenkilometer schnell sein. Auf der Elbe muß er sich allerdings an die Geschwindigkeitsbegrenzungen halten, sonst wäre es noch viel schneller in Helgoland.

Insgesamt finden max. 690 Passagiere in drei Klassen Platz, die sich hinsichtlich Deck, Beinfreiheit und Ausblick unterscheiden. Aber natürlich kann sich jeder Passagier frei zwischen den „Klassen“ bewegen. WLAN an Bord ist gratis und für mobilitätseingeschränkte Gäste gibt es einen Lift. Gebaut wurde das Schiff übrigens auf den Philippinen und es überwand die gut 19.000 Kilometer vom anderen Ende der Welt bis nach Norddeutschland auf „eigenem Kiel“ – eine stolze Leistung. Etwas kurios muten einzig die zypriotische Flagge am Heck und die Rettungsringe mit der Aufschrift Limassol an, d.h. das innerdeutsch verkehrende Schiff ist in Zypern registriert; meist eine Kosten- bzw. Steuerfrage.

Bitte einsteigen und ein Halunder werden

Als „Halunder“ bezeichnet man die Bewohner der Insel Helgoland, daher der Name. Auf allen Tischen liegen Informationsbroschüren über das Schiff, die Route und Helgoland zum Mitnehmen aus.

Das Bordrestaurant serviert in jeder Klasse am Platz, so daß man sich ein wenig wie im Flugzeug oder auf einem Kreuzfahrtschiff fühlt. Egal, ob es ein komplettes Frühstück, ein Stück Kuchen oder ein Burger sein soll; der Service ist freundlich und effizient.

Vorbei am Flugzeugbauer Airbus, dem Alten Land, den Elbauen und einigen Elbinseln, wird nach 1:45 Stunden Brunsbüttel erreicht. Der Anleger liegt nur unweit des Eingangs zum Nord-Ostsee-Kanals. Viele Radfahrer nutzen diese Verbindung für Ausflüge und natürlich ist die Crew auch hier beim Borden und Anlanden behilflich. Weiter geht’s in Richtung Cuxhaven, vorbei an der Kugelbake und in Folge vorbei an der Insel Neuwerk. Wie schnell und leicht der Jet dahingleitet, merkt man fast nur beim Blick aus dem Fenster oder auf einem der Freidecks. Unterwegs werden diverse Frachtschiffe und auch zwei Kreuzfahrtriesen überholt, die auf dem Weg von und nach Hamburg sind. Ab Cuxhaven geht’s erst richtig los und die Jetdüsen zeigen, was sie können. Geschwindigkeit und Konstruktion des Katamarans sorgen dafür, daß eventueller Seegang recht erträglich ist. Mein Tipp: Am besten sich am Heck oder Mittschiffs unten aufhalten, da ist das gewisse Schaukeln oder Schlingern am wenigsten spürbar. In jedem Moment fühlt man sich sicher und gut aufgehoben, sei es am Platz in den bequemen Ledersesseln oder auf den windumbrausten Freidecks.

Nach gut einer weiteren Stunde kommt Helgoland in Sicht und schwups dockt der Jet pünktlich um 12.45 Uhr am Kai an. Bis 16.30 Uhr kann nun jeder auf Entdeckungstour gehen. Für mich geht’s zunächst in Richtung Düne, also der etwas kleineren Nachbarinsel. Sie wurde in der Silvesternacht anno 1720/21 im Sturm von der Hauptinsel abgetrennt. Die sog. Düne ist bekannt für ihre Robben- und Seehundpopulationen und den schneeweißen Feinsand. Für die zwei Kilometer hinüber nutzt man den Mini-Kat „Witte Kliff“. Die Überfahrt zur halben und vollen Stunde dauert nur 10 Minuten und kostet für Erwachsene Hin-/ Rück 6.- Euro.

Einmal rund ums Dünen-Paradies 

Vorbei an einem kleinen Bungalow-Dörfchen in Grün, Rot, Gelb geht es Richtung Südstrand auf der Suche nach den hier freilebenden Robben und Seehunden. Gut getarnt nahe am Wasser zwischen Seegras und schützenden Felsen liegen einige Exemplare auf einer kleinen Landzunge. Die grau-gelblich glänzenden Seehunde und dunkel gefärbten (Kegel)Robben aalen sich dösend in der Sonne. Nur selten kommt Bewegung in die Gruppe. Sie sind keineswegs scheu und liegen manchmal auch auf Wegen oder zwischen den Reisigbündeln zum Wind-/ Sandschutz. Als Besucher sollte man jedoch stets 25-30 Meter Abstand halten, denn wie bei anderen Spezies auch, gibt es die Neugierigen, die Gelangweilten und die Rauflustigen und natürlich sollte man die Tiere in ihrem natürlichen Umfeld nicht stören.

Nur wenige Meter von der Landepiste des kleinen Flugplatzes leuchtet das Wasser türkis-blau und die bunten Strandkörbe haben noch Plätze frei. Ohne Massentourismus ist hier noch Erholung möglich, das Klima angenehm. Nur ein paar Meter weiter, die nächste kleine Robbenkolonie. Am liebsten würde ich mit ihnen eine Runde schwimmen, aber trotz meines einladenden Vorbeimarsches bleibt die Stimmung bei den offensichtlich gut genährten Meeressäugern ganz entspannt – allenfalls mal ein Umwälzen oder ein mit der Heckflosse wippen. Selbst Robben können bis zu drei Metern lang und über 300 Kilogramm schwer werden.

In unmittelbarer Nähe mitten in den Dünen, umgeben von Strandhafer und Sanddornbüschen, befindet sich derFriedhof der Namenlosen„. Im Schicksal und Tod vereint – wohl besonders tragisch das Unglück des Seenotrettungskreuzers Adolph Bermpohl im Februar 1967. Dabei kamen im Orkan „Xanthia“ alle vier Seenotretter und drei zuvor gerettete niederländiche Fischer ums Leben.

Von der Düne in die Oberstadt

Leider drängt die Zeit und es geht zurück auf die Hauptinsel. Immer im Mittelpunkt des Ortes die 39 bunten Hummerbuden, denn pittoreske Fischergassen existieren aus den zuvor genannten Gründen nicht. Zu Fuß (auf Helgoland ist jeglicher Autoverkehr, in den Sommermonaten sogar das Radfahren, verboten) geht es 60 Höhenmeter hinauf in Richtung Oberstadt und Sendemast, entlang des roten Klippenpfades in Richtung „Lange Anna“, die auf Helgoländer Friesisch „Nathurn Stak“ heißt. Ein wenig Kondition braucht es für den Tagestouristen schon, alles in wenigen Stunden zu erkunden. So muß z.B. das Bunker-Museum bis zum nächsten Mal warten. Viermal im Jahr bietet FRS Helgoline ab Helgoland auch einen Törn zu dem großen vorgelagerten Offshore-Windpark an.

Die Traditionsflagge zeigt Grün-Rot-Weiß

„Grün ist das Land, rot die Kant und weiß der Sand – das sind die Farben von Helgoland“. So habe ich es schon als Kind gelernt. Abfahren ohne die 47 Meter hohe „Lange Anna“ und die Vogelklippen gesehen zu haben, ist ein „No-Go“. Am Felsen brüten mehrere Seevogelarten wie Trottellummen, Basstölpel oder Dreizehenmöwen. Aus der Entfernung meint man eine weiße Deckhaube zu sehen. Klettern an der „Langen Anna“ ist verboten, da das Gestein sehr brüchig ist und sie vor Errichtung der schützenden Molen selbst ins Meer abzustürzen drohte.

Je nach Sonneneinstrahlung leuchten die Felskanten rosa bis rost-rot. Das rote Gestein der Insel ist hauptsächlich Bundsandstein, der von etwa 260  Millionen Jahren entstand. Das seinerzeit herrschende tropische und subtropische Klima führte zu einer Oxidation von eisen- und aluminiumhaltigen Gesteinsschichten, was letztlich die rote Farbe verursachte. Einige Souvenirshops verkaufen entsprechend polierte Steinstücke. 

Langsam macht sich Appetit breit und es muß noch schnell ein Hummerbrötchen her (die Suppe war leider aus). Der Helgoländer Hummer zeichnet sich durch seinen süßlich-bissfesten Geschmack aus. Die Delikatesse wird unter strengen Auflagen und nachhaltig gefangen; daher hat sie auch ihren Preis (!). Die bunten Holzhäuschen dienen heute als Kneipen, Galerien, Cafes und Souvenirläden. In den Hummerbuden 38 und 39 haben der Museumsverein und das Standesamt der Gemeinde Helgoland, die zu Hamburg gehört, ihren Sitz. Und Achtung: Auf der Insel kann man Tabakwaren, Alkohol und Parfüms, etc. immer noch zoll- und steuerfrei einkaufen.

Im Hafen veranstalten die Börteboot-Betreiber  gerade eine kleine Regatta und es macht Spaß dem fröhlichen Treiben zuzusehen. Schon bei Ankunft hatte ich Glück und konnte Dudelsackklänge vernehmen. Die Band kam jedoch nicht aus Good Old Scotland, sondern aus Berlin.

Die sog. Helgoländer Börteboote sind um die 10 Meter lang,  3 Meter breit und mit 8 Tonnen schwere Personentransportboote. Die weißen Kähne wurden traditionell im Sommer zum sog. Ausbooten der Schiffe genutzt, die zwischen Helgoland und der Düne üblicherweise auf Reede lagen. Eine schaukelige Angelegenheit. Da lob ich mir meinen Halunder-Jet, der dank seiner technischen Ausstattung mühelos anlegen und im Hafen quasi auf der Stelle drehen kann. Ein heiden Spaß, die Schaumkronen sprudeln nur so um die Wette.

Das große Finale

Der Fisch hat durstig gemacht und bei einem schönen Bierchen mit Bügel-Plop kann der Blick vom offenen Heck aus noch einmal ganz entspannt übers offene Meer schweifen. Da gerade Ebbe ist, sieht man vor Cuxhaven viele Wattwanderer, die sich fast bis zur Fahrrinne wagen. Im Gegenlicht der Nachmittagssonne sehen sie im Vorbeigleiten wie dünne Striche oder eine spiegelnde Fata Morgana aus.

Nach wiederum gut vier Stunden Rückfahrt auf gleicher Route, legt der Jet mit den letzten Sonnenstrahlen wieder in Hamburg an. Ja, es ist ein langer Tag, aber jede Minute wert.

p.s.  So viel sei unseren Lesern verraten: selbst der Bayrische Ministerpräsident war am 26./27. August Gast an Bord. D.h. er ist bewußt nicht geflogen, er wollte mit dem Jet nach Helgoland sausen.

 

Anmerkung: Fotos PFritz und Bildarchiv Helgoland, einige Textpassagen enthalten Werbung
print
Autor

Write A Comment