Was der Mensch nicht alles macht: er schnallt sich eine Sauerstofflasche auf den Rücken und taucht hinab in die Tiefe. Er schnallt sich Flügel an und erhebt sich mit Gleitschirmen in die Lüfte. Andere schnallen sich Ski unter die Füße und durchpflügen den Schnee. Unter den Letzteren findet man die Disziplin der Freestyle Buckelpisten Skifahrer (Neudeutsch „Moguls“ genannt). Für die Zuschauer ein spektakuläres Event, das sich am besten als Flugshow auf Gummiknien titulieren läßt.

Leider macht der Weltcup-Zirkus diesbezüglich eher selten Station in den Alpen. Daher wollte ich mir die Weltcup-Veranstaltung im italienischen Chiesa Valmalenco (nahe Sondrio) nicht entgehen lassen. Hierfür haben vor den anstehenden Weltmeisterschaften in Bakuriani/ Georgien Ende Februar die Besten der Besten gemeldet; leider ohne deutsche Beteiligung.

Also auf ins Auto und dann mit der „Snow Eagle“, einer Großraumgondel die bis zu 160 Personen fast, hoch hinauf auf die Alpe Palü. Die Sonne lacht, der Himmel ist stahlblau und bei meinem Eintreffen ist- analog zu den Alpin-Skifahrern – gerade Pistenbesichtigung und -präparierung. Ich habe das Privileg mich mitten unter den Sportlern umsehen zu können bzw. das Abschlußtraining hautnah zu beobachten. Da die Anzüge die Aufschriften der Nationen tragen, merkt man gleich sich bei einem Weltcup Rennen zu befinden. Da sieht man Schweden, Franzosen, Chinesen, Japaner, Amerikaner, Kasachen, Finnen, Kanadier, ja sogar Australier usw. Lässig und zugleich konzentriert geht es zu.

Mit Helmen und Sonnenbrillen kann man Männer und Frauen kaum unterschieden, denn auch die meisten Herren sind eher klein und zierlich.

Punkt 12.00 Uhr richten sich die Kameras nun nach oben auf den Startpunkt an der „Schwarzen Dosso“ (die Farbe Schwarz steht im Skisport für besonderes schwierige, steile Pisten) und schon signalisiert der Sprecher den offiziellen Beginn. Obwohl ich weiß, was ich sehen will bzw. was mich erwartet, ist der Live-Eindruck doch mehr als beeindruckend. Da rasen im Einzel und im Duo die Cracks eine knallhart präparierte Buckelpiste runter, als ob es kein Morgen gäbe. Auf der Strecke sind an zwei Punkten zudem Rampen und Kicker eingebaut, um spektakuläre Sprünge zu zeigen. Dabei zeigen die Topläufer während des Laufes Salti und Doppelschrauben. Gerade wenn man ganz dicht auf halber Höhe der Piste steht, hört man das scharfe Kratzen der Ski auf der eisigen Piste. Grr, kratz, ratsch. Wer da heil runterkommt, scheint eine spezielle Spezies Mensch zu sein.

Einmal mehr gilt hier der Satz: Ein Bild oder Video sagt mehr als tausend Worte. Einfach Klick-Starten und einen grandiosen Eindruck zu gewinnen.

Aber worum geht es genau bzw. wie wird der Sieger ermittelt? Bei der besagten Disziplin „Freestyle-Buckelpiste“ gilt es für die Teilnehmer*innen darum den Hang mit 28 bis 32 Grad Gefälle möglichst rasch zu überwinden. Dabei braucht es mehr als Ski- und Körperbeherrschung, um der Belastung und Geschwindigkeit standzuhalten. Zudem gilt es die Buckel möglichst elegant zu überwinden und sich von den hohen Sprüngen nicht aus dem Rhythmus bringen zu lassen.

Die Rampen und Schanzen für die Sprünge auf der Strecke haben einen Absprungwinkel von 26 bis 30 Grad und sind bis zu 60 Zentimeter hoch, wodurch angesichts der Laufgeschwindigkeit bei perfekter Körperhaltung und Sprungtechnik hohe Sprünge möglich sind. Bei den genannten Sprüngen geht es nicht wie beim Skispringen um die Weite, sondern darum möglichst spektakuläre Figuren zu zeigen wie z.B. den Helikopter, eine vollständige Drehung von 360 Grad in der Luft. Wer also nur auf „Gummiknien“ runterfährt (gemeint ist das Abfedern der Buckel mit den Knien ähnlich einem Stoßdämpfer), wird zwar durchgeschüttelt, wird aber keinen Preis gewinnen.

Nahe den bereits erwähnten Kickern und entlang der Buckelpiste mit regelmäßigem Gefälle, gibt es neun Kontrolltore, die passiert werden müssen. Die Buckel selbst werden vorab meist mit Maschinen hergerichtet, wobei es flachere und steilere Hügelformen geben kann.

Die wesentlichen Bewertungskriterien sind: Schwünge (Turns) zu 60 % der Bewertung, Sprünge (Air) mit 20 % und Geschwindigkeit (Speed) mit 20 %. Um möglichst viele Punkte einzufahren, d.h. die sieben Kampfrichter zu überzeugen, muß man also alles Können: die Piste möglichst schnell überwinden, aber dabei auch eine elegante Körperhaltung und spannende „Moves“ zeigen. Für die Fahrt selbst gibt es bis zu fünf Punkten (wie wurden in Falllinie die Buckel ausgenutzt, wie war die Körperhaltung). Für die Sprünge können bis zu 2,5 Punkten vergeben werden und ebenfalls 2,5 Punkte für die Zeit der Fahrt.

Interessanterweise gibt es hinsichtlich der verwendeten Ski keine Vorschriften hinsichtlich der Länge, nur die verwendete Bindung muss den DIN-Normen entsprechen. Selbstredend ist das Tragen eines Helmes im Training wie im Wettbewerb. Die Qualifikation wird in einem Lauf durchgeführt und entsprechend der Leistungen wird das Feld für das Finale (meist 12-16 Teilnehmer) bei Damen und Herren zusammengestellt. Im Finale wird in umgekehrter Reihenfolge gestartet, d.h. der Qualifikationsbeste kommt als letzter Teilnehmer an die Reihe, der Schwächste der Qualifikation eröffnet das Finale.

Wie sich eine Buckelpiste anfühlt, habe ich vor vielen Jahren einmal am Mont Fort (3.300 m hoch) im Skigebiet von Verbier erlebt. Zunächst war ich optimistisch, langsam und kontrolliert Hügel für Hügel umkurven zu können. Aber schwups verlor ich nach dem ersten Drittel des Hanges das Gleichgewicht und schlitterte wie eine Flipperkugel mit den Ski in der Luft und teils mit dem Kopf voran zwischen weiteren Mogeln bergab. Irgendwann fand ich nach einer Drehung wieder Halt, konnte wieder Fußfassen und aufrecht nach unten gelangen.

Nach dem Training habe ich bei der Runterfahrt mit der Gondel Glück und treffe auf die im Weltcup führenden französischen und amerikanischen Damen. Wir kommen kurz ins Gespräch. Beide Teams sind sehr redselig und relaxed, sitzen teils auf dem Boden, ihr Skimaterial jedoch immer im Blick. Sieger bei den Herren wurde am Folgetag übrigens der noch junge Japaner Ikuma Horishima (18 Punkte) vor Dauersieger und Favorit Mikael Kingsburg (17 Punkte) aus Kanada. Kingsbury ging zwar als Erster durch’s Ziel, der Japaner erhielt aber mehr Ausführungsunkte.

Im deutschen Fernsehen wird leider kaum etwas von dieser „Freestyle-Disziplin“ übertragen. Aber sollten Sie einmal Gelegenheit zum Zuschauen haben, lassen Sie es sich nicht entgehen. Es ist Adrenalin pur.

 

Anmerkung: Das Video Nr. 2 „Horishima vs. Kingsburg“ wurde der Qualität wegen aus dem Internet/ via Youtube entnommen
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