2016 feierte die Seemannsmission DUCKDALBEN, die jedem, aber vorrangig Seeleuten offen steht, ihr 30-Jähriges Jubiläum. Der besagte Seemannsclub DUCKDALBEN im Hamburger Hafen existiert also nunmehr seit 39 Jahren, um den vielen Seeleuten, die täglich im Hafen verweilen, 364 Tage im Jahr eine Möglichkeit zu bieten, ihre Freizeit mal abseits eines Schiffes zu verbringen, auf eine neue Heuer zu warten und ggf. auch Hilfe in problematischen Lebenslagen zu erhalten. Ein sprichwörtlicher Ankerplatz; nicht umsonst liegt seitlich vor dem Gebäude ein großer Dockanker.

Der Weg dorthin durch den Hafen im Stadtteil Waltershof führt unter Brücken hindurch, über Bahngleise hinweg, an riesigen Ladeterminals vorbei und stets ist man von LKWs umzingelt, die von der A 7 kommen oder dorthin streben.

Warum der Name Duckdalben?

Duckdalben oder Dalben sind Pfähle, die allein oder in Gruppen in den Schlick des Hafens gerammt werden, um Schiffen auch abseits der Kaianlagen die Möglichkeit zum Festmachen zu geben. Sie dienen auch zum Führen und Abweisen von Schiffen am Rande der Fahrrinnen und zum Schutz und zur Stabilisierung von Anlegern und Pontons. Ohne Frage sind das sichere Anlegen und eine sichere Fahrt bis in den schützenden Hafen Ziel und Zweck dieser stabilen Markierungen.

Wie ist die Handelsseefahrt aktuell strukturiert? Wieso ist eine Institution wie die Seemannsmission auch heute noch wichtig? 

Gegenfrage: Haben Sie schon einmal versucht, an ihrem Arbeitsplatz mehrere Monate zu wohnen? Da bleiben Konflikte nicht aus. Anderenorts würde man es vielleicht Lagerkoller, im schlimmsten Fall Ausbeutung nennen. Man weiß z.B. von diversen Schiffen unter chinesischer Flagge, die für ihren Mannschaften keine Landgang Visa beantragen. D.h. sie können selbst im Hafen (wenn sie Freizeit haben?) nicht von Bord gehen, denn nur das Schiff ist heimatliches Territorium. Da wird ein Schiff für Monate schnell zum „Gefängnis“.

Das Seearbeitsübereinkommen schafft weltweit verbindliche Mindeststandards der Arbeits- und Lebensbedingungen für Seeleute an Bord von Handelsschiffen. Es gilt für weltweit ca. 1,2 Millionen Seeleute auf ca. 65.000 Handelsschiffen. Die weltweite Gesamtzahl der auf Schiffen dienenden Seeleute wird auf knapp 1,9 Millionen Seeleute geschätzt, davon rund 900.000 Offiziere, der Rest sind sog.  Mannschaftsdienstgrade.

Die Anzahl der unter deutscher Flagge fahrenden Seeschiffe liegt gegenwärtig bei nur rund 280 Schiffen. Der große Rest ist „ausgeflaggt“, d.h. auch die Schiffe einer deutschen Reederei können im Ausland bzw. sog. Billigflaggenländern wie Liberia, Panama oder Malta registriert sein. Sie unterliegen damit auch der Gesetzgebung des betreffenden Landes. So sind z.B. auch die Kreuzfahrtschiffe der „Mein Schiff Flotte“ von TUI-Cruises unter der Flagge Malta registriert. Die Zahl der in Deutschland insgesamt sozialversicherungspflichtig beschäftigen Seeleute hat sich zuletzt dennoch erfreulicherweise wieder leicht auf fast 7.100 erhöht. Im Februar 2023 waren es noch 6.930.

Nach wie vor ist das Meer bis heute einer der gefährlichsten Arbeitsplätze der Welt. Jährlich kommen trotz aller Schutzmaßnahmen und fortschreitender Technisierung/ Digitalisierung fast 2.000 Seeleute ums Leben; d.h. laut Statistik vom Mai 2020 verunglücken im Durchschnitt jede Woche zwei Schiffe.

Was erwartet die Seeleute im Duckdalben oder anderen Seefahrtmissionen? 

In den Schriften des Duckdalben heißt es: „Die Gefahren und die Unberechenbarkeit des Meeres lehrten sie das Beten. Die Gäste bleiben nicht lange, aber sie hinterlassen viele Spuren„. Wie man bei einem Besuch selbst sehen kann, hängen Erinnerungen an Wänden, Decken und Bildtafeln oder stehen in Vitrinen. In der großen Halle hängt nicht nur ein kleines Auslegerboot von den Philippinen, sondern auch eine Haifischattrappe. Während einige Geschichten hinter den Andenken Freude und Glück ausstrahlen, künden andere von Schicksalsschlägen. Mehr darüber zu gg. Zeitpunkt in einem Special.

2010 wurde zusätzlich die SEAFARERS´ LOUNGE Hamburg gGmbH gegründet. Sie ist in den Cruise Centern Altona, Steinwerder und nun auch im Bakenhöft etabliert. Hier können insbesondere Seeleute die auf Kreuzfahrtschiffen arbeiten, kostenlos mit ihren Familien Kontakt aufnehmen und einkaufen. Weiterhin können sie Geld für ihre Familien überweisen und wenn nötig ausländische Währungen umtauschen. Die Lounges befinden sich im Sicherheitsbereich der Cruise-Center, so dass die Crewmitglieder keinen „Landgang“ machen, sondern die Lounges schnell und unbürokratisch während der Liegezeiten aufsuchen können. Dort können sie auch Freunde und Angehörige treffen.

Seit Eröffnung 1986 verzeichnet man über eine Million Gäste aus 103 Ländern. Die größten Besucheranteile sind Philippinos (53%), Inder (12%), Ukrainer (5%), Russen und Chinesen (7%).

Die Deutsche Seemannsmission stützt sich auf einige haupt – und viele ehrenamtliche Mitarbeiter, die sich Zeit für  Gespräche nehmen, gemeinsame Aktivitäten organisieren und vor allem praktische Hilfe und Orientierung in der Fremde anbieten.

Wichtigste Anlaufpunkte im Duckdalben sind verschiedene Clubräume, eine Bar, ein Kaffeetresen und Einkaufsmöglichkeiten. Ferner gibt es einen Raum der Stille (Andachtsraum) für alle Religionen, Billardtische, Tischtennisplatten, mehrere Kicker-Spieltische. Im kleinen Wintergarten mit Kamin befindet sich eine internationale Bibliothek, auf dem Außengelände eine Gartenterrasse, ein  Kleinsportfeld und ein Grillplatz. Überdies gibt es günstige Möglichkeiten zum weltweiten Telefonieren, Skypen, und Faxen. Dazu gibt es Telefon- und Simkarten, ein kostenloses hauseigenes WLAN-System und einige Computer für Seeleute, die nicht über Laptops verfügen. Im kleinen Shop werden Dinge des täglichen Bedarfs wie Zahnpasta und andere Hygieneartikeln, aber auch Souvenirs, Süßigkeiten und kleine Snacks angeboten. Wer will, kann auch Musik machen, denn es stehen ein Klavier, eine Karaoke-Anlage, Gitarren und Trommeln etc. zur Verfügung.

Bei der harten Arbeit, die die Seeleute verrichten, bleiben Verletzungen und Krankheiten nicht aus. Deshalb kommen jeden Mittwoch ein Arzt und eine Schwester vorbei und beraten und untersuchen ratsuchende Seeleute. Die Sprechstunde des Hafenärztlichen Dienstes (HPHC) ist kostenlos und anonym. Ebenso gratis sind der Abhol- und Verbringdienst zu allen im Hafen liegenden Schiffen. Bei der Terminierung ist u.a. ein großer Bildschirm mit Vesseltracker-Funktion hilfreich, auf dem man minutengenau die Position jedes Schiffes im Hafen nachvollziehen kann.

Thank you „Sunny“ and Take care

Auf der Terrasse komme ich mit „Sunny“ von den Philippinen ins Gespräch. Im Haus und auf dem Gelände ist gerade nicht viel los. Er und einige andere Seeleute lehnen in Sesseln und diddeln jeder für sich auf ihren Smartphones herum, nur zwei andere Kollegen spielen eine Runde Basketball.

Sunny wechselt gerade das Schiff. Er ist als Matrose auf einem eher kleinen Stückgutfrachter durch „LUBECA Marine“ engagiert und nicht auf einem Megaliner von über 300 Meter Länge. Er sei recht froh darum, denn an Bord seien sie nur zehn Personen. Der Kapitän und die drei Offiziere seien Russen, die Matrosen alle von den Philippinen. Auch der Koch; dabei huscht ein Lächeln über sein Gesicht, ist Essen doch auch immer ein Stück Heimat. Ausnahmsweise trinkt er mal ein Bier und achtet für das gemeinsame Foto aber penibel darauf, das die Flasche nicht zu sehen ist. An Bord herrscht – zumindest offiziell – überall striktes Alkoholverbot und niemand würde einen Matrosen mit Suchtproblem anheuern.

Schon heute Abend wird seine Route in Richtung Ostküste von Großbritannien gehen. Zuvor sei er in der Karibik gewesen, woher man Fertigteile für mobile Baucontainer nach Hamburg transportiert habe. Das sind über 4.000 Seemeilen (7.400 Kilometer) nur Wasser und manchmal ordentlicher Seegang. Leider habe er bisher nie eine Route befahren können, wo er auch mal in seiner asiatischen Heimat vorbeikäme. D.h. für ihn: gute acht Monate im Jahr auf See weit weg von Zuhause und der Familie zu sein, dann drei Monate frei (meist ohne Entgelt) – mit oder ohne Anschlußjob. Er stamme zwar aus dem Süden von der Insel Mindanao, habe aber inzwischen ein kleines Haus am Standrand von Manila.

Ja, man könne heute dank Internet und Skpe besser mit der Familie Kontakt halten, allerdings seien für ihn gerade nur 2 GB Datenvolumen pro Monat kostenfrei. Alles darüber hinaus müsse er selbst bezahlen. Gerne hätte ich ihn nach seinem Lohn gefragt, wollte aber nicht aufdringlich sein.

Fazit

Ja, selbst ein großes, stolzes Schiff kann in manchen Situationen zum Gefängnis werden, zumal die Liegezeiten in modernen Häfen oft nur wenige Stunden betragen. Außerdem gibt es überall auf der Welt Menschen, die den Seeleuten ihr hart verdientes Geld mit falschen Versprechen oder faulen Angeboten wieder aus der Tasche ziehen. Und das sind nicht nur ortsansässige Kriminelle. Immer mal wieder erleben die Mitarbeiter der Missionen Probleme mit Reedereien oder Kapitänen und Offizieren. Auch dafür hat man hier ein offenes Ohr. In enger Zusammenarbeit mit der International Transport Workers Federation (ITF) wird versucht auch bei rechtlichen Problemen zu helfen, wie z.B. nicht ausgezahlter Heuer oder schlechten Bedingungen an Bord.

Dabei ist für viele Seeleute auch eine gewisse Seelsorge wichtig. Ob in vertraulichen Gesprächen, Hilfe bei Familienkonflikten oder bei Krankenhaus- und Gefängnisbesuchen – einfach nur zuhören. Man versucht das Leben der Seeleute so ein wenig zu erleichtern, ihnen weit weg von zu Hause ein kleines Stück Heimat zu bieten und sie wissen zu lassen, daß jemand für sie da ist und sie hier gut aufgehoben sind.

Überdies gibt es auch Übernachtungsmöglichkeiten. Die Zimmer befinden sich allerdings mitten in Hamburg in der kleineren Mission am Fischmarkt in Hamburg-Altona am Holzhafen in unmittelbarer Nachbarschaft der legendären Haifisch-Bar und dem Schellfischposten.

Die Arbeit der Seemannsmissionen im In- und Ausland wird überwiegend aus kirchlichen und staatlichen Zuschüssen, aber auch aus eigenen Einnahmen wie z.B. Zimmervermietungen finanziert.

Das Spendenkonto lautet:
Deutsche Seemannsmission Hamburg-Harburg e.V.
Bank: Evangelische Bank eG
IBAN DE375206 0410 0006 4079 35
BIC GENODEF1EK1

Auch Sachspenden, in Form von warmer Herrenkleidung, für in unseren Breiten nicht selten frierende Seeleute, werden dankend entgegen genommen.

Weitere ähnliche Standorte in Deutschland (weltweit gibt es 35 Standorte der Deutschen Seemanns Mission) findet man in Bremen, Bremerhaven, Wilhelmshaven, Emden, Cuxhaven, Brunsbüttel, Kiel, Lübeck, Rostock und Saßnitz.

Da kann man nur sagen: Seemann/ Seefrau ahoi – und immer eine Handbereit Wasser UNTER dem Kiel. Der Anteil der weiblichen Seeleute ist laut International Chamber of Shipping weltweit mit 1,2% zwar ansteigend, aber noch sehr gering; in Deutschland liegt die Quote immerhin bei 7%.

In Hamburg befindet sich übrigens auch der Internationale Seegerichtshof – aber das ist eine andere Geschichte.

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