Die Ankunft des Olympischen Feuers auf dem historischem Segelschiff „Belem“ im Hafen von Marseille am 08.05. war ein Novum und eine grandiose Inszenierung: Ein Wasser-Feuerwerk am Nachmittag, eine Flugshow der „Patrouille de France“ (u.a. zeichneten die Jets die olympischen Ringe an den Himmel) und der französischer Rapper Jul – kein Sportler – der den örtlichen Feuerring entzündete. Viele hatten auf Ex-Fußballer Zinédin Zidane spekuliert. Lässig plauderte Präsident Macron bei herrlichem Wetter umgeben von fast 150.000 Menschen und 8.500 Sicherheitskräften über „seine“ Spiele und Erwartungen. Kurz zuvor hatten Ex-Schwimmstar Laurent Manaudou und die paralympische Rekordläuferin Natenin Keita das Feuer an Land gebracht. Nach einem entfernten Gewitter bildete sich über der Stadt zudem noch ein Regenbogen – wahrlich ein Gänsehautmoment.
Ein sicherlich ebenso magischer Moment war die Ankunft der Flamme in Saint-Laurent du Maroni, einer ehemals berüchtigten Strafkolonie in Französisch Guayana. Von dort glitt die Flamme nach Abschluß einer indianischen Zeremonie in einer Piroge (eine Art Einbaum) den Oyapock-Fluß durch den Amazonas Regenwald hinunter. Nicht minder ikonisch war der Weg des Feuers über die Schlachtfelder von Verdun und durch die Stadt.
Wer, wann, wo die Fackel trägt, kann hier nachgelesen werden – Promis allerdings ausgenommen. Die „Nicht-Franzosen“ sind dabei gezählt und m.W. sind nur zwei Deutsche darunter, nämlich in den Abschnitten Bouches du Rhone und Loire Atlantique.
Den 18.06. und 29.06. hatte ich mir schon vor Wochen im Kalender markiert, um die „Flamme“ einmal persönlich zu treffen und die Atmosphäre drumherum zu erleben. Zunächst an der Cote d’Azur bzw. in Villefranche-sur-Mer, weil die Fackel hier gleich mehrere besondere Auftritt hatte. Im zweiten Fall, weil sie an diesem Tag an einem sehr geschichtsträchtigen Ort endete, der für die Sinnlosigkeit und Unmenschlichkeit des Krieges ebenso steht, wie für die Aussöhnung bzw. die Deutsch-Französische Freundschaft. Die Rede ist von Verdun.
ETAPPE 34 – QUER DURCH DIE REGION ALPES-MARITIME

Gerade erst war die Flamme per Flugzeug aus der Karibik bzw. von Martinique zurückgekehrt und in Nizza gelandet. Orte mit besonderem Flair wie Monaco, Cap Ferrat, Grasse, Cannes und St. Tropez reihen sich entlang der Cote d’Azur wie an einer Perlenkette auf. Einen ganz besonderen Moment erlebte der Fackellauf in Villefranche. Die geschützte Bucht zwischen zwischen Cap Ferrat und Nizza, in der bis 1962 die Sechste US-Flotte lag, ist heute als Kreuzfahrthafen bekannt.
Im Zentrum des Geschehens stand hier eine leibhaftige Nixe: die Apnoetaucherin Alice Modolo. Sie schrieb 2022 mit dem Weltrekord im Freitauchen Geschichte. Auf den Bahamas erreichte sie mit gleichmäßigem Gewichtszug eine Tiefe von 96 Metern (ihr männliches Pendant schaffte 127 Meter), nachdem sie 2013 mit Monoflosse bereits 185 Meter erreicht hatte. Der Zeitrekord im Apnoetauchen (also ohne Sauerstoff) liegt bei fast 12 Minuten; Frauen schaffen es immerhin auf unglaubliche neun Minuten.



Früh morgens kurz nach acht Uhr holte Modolo im zart hellblauen Tauchanzug mit Olympia-Emblem auf der Brust das Feuer mit einer speziellen Magnesiumfackel aus 40 Meter Tiefe an die Oberfläche und landete schließlich in einem einfachen Fischerboot am Quai Coubert an. „Je suis toute tremblante“, gestand Modolo der Presse. Schon ab 6.45 Uhr war der gesamte Hafenbereich am Port de la Santé abgesperrt. Wollte man vor Ort sein, hieß es also schon um 05.30 Uhr aufstehen, um sich ab 06.30 Uhr ein Plätzchen zu sichern. Das unmittelbare Auftauchen aus dem Wasser konnte allerdings nur das Olympia-Sicherheitsteam und einige auserwählte Personen verfolgen.


Die Fackel kann aber noch mehr und hatte nicht nur an diesem Tag ein straffes Programm. Bereits um 09.00 Uhr brach sie nach Grasse auf, der Welthauptstadt des Parfums, wo sie vom Sternekoch Jacques Chibois in Empfang genommen wurde. Bereits zwei Stunden später war sie in Cannes, wo sie u.a. vom Paralympic-Athleten Alexandre Farrugia getragen wurde. Vom Chateau de la Castres aus gelangte die Flamme nach drei Kilometern durch die Stadt über das Palais des Festivals zur Base Nautique. Von dort ging es wieder in’s Hinterland der Seealpen, wo sie gegen 13.30 Uhr in Valberg, einem Wintersportort, von Julia Pereira de Sousa-Mabileau, einer olympischen Snowboarderin abgeholt wurde. Anschließend radelte das Feuer mit einer Fahrradequipe in rasanter Fahrt von Launes nach Beuil.
Die fünfte Etappe führte die olympische Fackel zurück zur Küste nach Juan-les-Pins bzw. Antibes, das offizielle Partnerstadt des griechischen Ortes Olympia ist. Aber damit noch nicht genug, denn nun ging es nochmals in die Berge nach La Colmiane, wo sie um 16.33 Uhr über die längste Seilrutsche Frankreichs (2,6 Kilometer lang) von Judo-Weltmeister Loïc Pietri, auf dem Bauch liegend die silberne Fackel fest voraus in beiden Händen, mit 120 Stundenkilometern in’s Tal sauste. Auf dem Weg zurück nach Cannes gab es unter den Fackelträgern einige Überraschungen. So waren die amerikanische Schauspielerin Halle Berry ebenso darunter wie der Ski-Bordercrosser Shaun White, aber auch Formel 1 Rennfahrer Charles Leclerc und Prince Albert von Monaco mit Familie. Jeder Moment immer gut bewacht.

Der aufregende Staffellauf endete gegen 18.00 Uhr auf der Avenue des Grenouillères, wo Ultra-Trial-Star Sébastien Camus und weitere Athleten sie entlang der Promenade des Anglais begleiteten. Schlußendlich wurde der olympische Feuerkessel mit nur wenig Verspätung gegen 19.40 Uhr von Fußballer-Star Stéphane Diagana entzündet, nachdem sie zuvor stolz vom Skirennfahrer Alexi Pinturault getragen wurde. Alle Fackelträger sind ausnahmslos mit demselben schlichten weißen Sportoutfit (Langarmshirt und Jogginghose) mit rot-orangefarbenen Streifen auf den Armen und einem kleinen Emblem auf dem Oberkörper gekleidet.
Die neuralgischen Punkte sind überall natürlich schon Stunden vorher weiträumig abgesperrt und stellenweise war einfach kein Durchkommen; geschweige denn ein Parkplatz zu finden. Mit Sicherheit sind es täglich zehntausende Zuschauer, die die Strecken säumen und sich dieses Spektakel und die parallel stattfindenden sonstigen Aktivitäten wie Spiel- und Musikveranstaltungen nicht entgehen lassen.
Wird das Feuer, ja man könnte schon sagen, das „Ewige Licht“, über größere Entfernungen bis zum nächsten Etappenort oder -abschnitt transportiert, flackert es sorgsam bewahrt in der kleinen historischen Schiffslampe aus Messing, in der es mit dem Segelschiff „Belem“ am 08.05. in Marseille ankam. Der erste Fackelträger bezieht sein Feuer dann genau von dieser Feuerquelle. Sollte das Fackelfeuer eines Trägers einmal erlöschen, darf es nur mittels dieser originären Flamme aus Olympia wieder entzündet werden; sonst wäre die Stafette unterbrochen. Wie wichtig diese Urflamme ist, sollte sich vor meinen Augen am Abend im Stadion von Verdun erweisen.


Wenige Tage später ETAPPE 44 RUND UM VERDUN
Das Departement Meuse liegt im Herzen von Lothringen. Die Olympische Fackel begann ihre Reise an diesem Tag im kleinen Dorf Gondrecourt-le-Château und erreichte gegen Mittag schließlich Commercy, wo man überzeugt ist, bereits 1755 das berühmte Madeleine-Gebäck gebacken zu haben. Vom Lac de Madine, aus, zog die Fackel nach Bar-le-Duc weiter, einem ehemals herzoglichen Wohnsitz im Renaissancestil. Ein weiterer geschichtsträchtiger Ort ist Verdun, der Schauplatz der längsten Schlacht der Gesichte im Ersten Weltkrieg. 300 Tage lang tobte hier ein gnadenloser Stellungskrieg bei dem über 300.000 Menschen ums Leben kamen.
Just in diesem Jahr jährte sich die Landung der Alliierten in der Normandie zum 80. Mal und der Beginn des Ersten Weltkrieges zum 110. Mal. Es ist auch der 40. Jahrestag der „Geste von Verdun„, bei der sich Präsident François Mitterand (1981-1995) und Bundeskanzler Helmut Kohl (1982-1998) Hand in Hand vor dem Beinhaus von Douaumont verneigten.













