Wer den König der Wälder kennenlernen möchte, findet abgesehen vom Baltikum und in Ostpreußen in Småland an der Südostküste von Schweden sehr gute Möglichkeiten. Es ist mit 32.000 qkm etwa so groß wie Baden-Württemberg, hat aber nur 725.000 Einwohner (regionale Zentren sind Växjö und Kalmar gegenüber der Insel Öland; auch Karlskrona ist nicht weit entfernt). Mit sechs Tieren pro Hektar, zählt die Region zu einer der dichtesten Elchbestände der Welt, was manchmal zu Forst- und Verkehrsproblemen führt. Im Sommer sollen sich dort bis zu 30.000 Exemplare aufhalten (ganz Schweden ca. 200.000) und trotzdem ist es nicht einfach sie im unwegsamen Gelände zu entdecken. Oder man hat einfach Glück und sie traben die Straße entlang, was sie der Einfachheit halber gerne tun.

Region Blekinge und Smaland
So sieht ein Siegertyp aus

Biologische Fakten

Im Grunde ist das größte Hirschtier – egal ob Bulle oder Kuh – eher scheu. Die hier ansässige Rasse „Alces alces“ kann bis zu drei Meter lang werden und eine Schulterhöhe um die zwei Meter erreichen. Das Gewicht der Kühe liegt im Schnitt bei 370 kg, das der ausgewachsenen Bullen bei 500 kg. In Nordschweden sollen gar schon Bullen mit einem Schätzgewicht von rund 1.000 kg gesichtet worden sein. Auffallend sind seine langen Beine und breiten Hufe (um im hohen Gras, tiefen Schnee und sumpfigen Gelände besser gehen zu können) sowie seine kräftigen mit einer sog. Basthaut überzogenen Schaufeln und der kleine Halsbart. Wenn die Bullen im Winter ihr Geweih verlieren, fällt die Unterscheidung zwischen Bulle, Kuh und Jährling aus der Entfernung recht schwer.

Meist werden die grau-braun, dicht bepelzten Tiere nicht älter als 20 Jahre. Abgesehen von der Brunftzeit und in höchster Gefahr, sind Elche recht schweigsame Tiere und selbst die meisten Schweden haben noch nie einen Elchlaut gehört. Dafür ist sein Gehör und Geruchssinn sehr gut entwickelt. Seine 30-35 cm langen Ohren kann er weit nach hinten drehen und einen Menschen kann er schon über viele Kilometer wittern. Sein Sehvermögen – gerade im Dunkeln – ist jedoch extrem eingeschränkt; überdies sind Elche farbenblind. Wenn es drauf ankommt, können Elche so schnell wie ein Trabrennpferd, also um die 60 Stundenkilometer schnell laufen. Elchkühe sind hinsichtlich der Fortpflanzung bis in’s hohe Alter ziemlich produktiv, da Zwillingsgeburten (ein Kalb wiegt bei Geburt ca. 10 kg) häufig vorkommen. Die Paarung findet in Småland Ende September/ Anfang Oktober statt (Elchbullen sind polygam), das Kalben im Frühsommer.

Elchbullen sind wenig gesellig, d.h. sie durchstreifen im Gegensatz zu den Kühen mit ihren Kälbern, die Wälder als Einzelgänger. Der Elch hat zwar kein klassisches Revier wie andere Hirscharten, ist aber dennoch regionstreu und markiert bevorzugte Stellen mit Urin. Der schnelle Langstreckenläufer ist auch ein guter Schwimmer. Manchmal wird er sogar zum Taucher, wenn er an die geliebten Wurzeln der Teichrose gelangen will. Der Elch ist ein Wiederkäuer, der sich überwiegend von Blättern, Beeren, Kräutern, Ästen und Baumrinde ernährt. Am meisten aber liebt er Äpfel. Muß er das Grünzeug vom Boden aufnehmen, muß er aufgrund seiner langen Bein teils auf die Knie fallen – stets ein kritischer Moment. Im Sommer muß ein Elch  täglich ca. 25 kg Nahrung zu sich nehmen, im Winter, der kraftsparenden Ruhezeit, nur etwa die Hälfte.

Warten auf den Elch
Auch ein Elch muß mal ausruhen
Elchkuh mit zwei Kälbchen
Kniefall vor der Kamera

Geht vom Geweih Gefahr aus?

Das Geweih eines ausgewachsenen Elchbullen ist eine wahre Krone, d.h. ein Kopfschmuck, der über einen Meter breit werden und bis zu 15 kg wiegen kann. Damit das Geweih mitwachsen kann, werfen die Bullen es jedes Jahr im Winter ab, was Rentiere z.B. nicht tun.

Die Geweihbehaarung, der sog. Bast, ist eine Art kurzbehaarte Haut und reich an Blutgefäßen. Gerade im Sommer wächst das Geweih sehr schnell, nämlich bis zu 2-3 cm am Tag. Gegen Herbst hin scheuern die Elchbullen das Geweih an Büschen und Bäumen, um die einengende restliche Basthaut los zu werden. Für kurze Zeit ist das Geweih dann ganz hell. Nach durchschnittlich acht Jahren hat das Geweih seine Maximalgröße erreicht, auch die Anzahl der Enden ist dann am höchsten, i.d.R. zehn. Der „Rekordbulle“ hatte in diesem Alter mehr as 20 Enden. Das Geweih kann also sehr unterschiedlich schnell und in unterschiedlicher Form wachsen. Die Anzahl der Enden korreliert also nicht mit den Altersjahren. Teils ist dieser Umstand vererbt, teils hängt das Wachstum aber auch vom Futterstatus ab. Mineralien wie Phosphor und Kalzium begünstigen das Wachstum.

Nur selten verwenden Elche ihr Geweih zum Kämpfen und sie schaufeln damit (wie die Rentiere) auch nicht den Boden auf Futtersuche vom Schnee frei. Es ist ein reines Statussymbol zur Abschreckung und bestimmt die Rangordnung sowie die Aufmerksamkeit der Kühe. Manche Forscher meinen, das damit im Sommer auch die Körperkühlung begünstigt wird.

Wie bei vielen Tierarten, geht Gefahr nur von Kühen mit Kälbern aus. So manch ein Waldarbeiter oder Jäger mußte sich schon auf einen Baum flüchten oder sich auf einem Mast in Sicherheit bringen. Ansonsten sind Elche extrem friedlich und treten meist schnell den Rückzug an. Wandern ist in Småland also gefahrlos möglich. Zur Verteidigung setzt er meist seine Vorderhufe ein, z.B. gegen Wölfe können sie so blitzschnell nachhaltige Tritte austeilen. Am gefährlichsten sind Elche im Verkehr, denn jährlich passieren mehrere hundert Unfälle. Einige mit tödlichem Ausgang für Mensch und Tier. Die hochbeinigen Tiere landen nach dem Aufprall oft auf der Motorhaube und durchschlagen aufgrund ihres Gewichtes nicht selten die Frontscheibe.

Mein erster Elch und sein kleiner Bruder Carl Gustaf

Im Sommer ist die Gefahr am größten, denn die Tiere sind verstärkt in Bewegung – vor allem in der Morgen- und Abenddämmerung. Mein Fahrer war Gott sei Dank aufmerksam und legte rechtzeitig eine quietschende Vollbremsung hin. Ohne Regung stand ER quer mitten auf der Straße, den Blick geradeaus geradezu stoisch geradeaus gerichtet, so daß ich im ersten Augenblick nur sein rötlich reflektierendes Auge erkennen konnte. Erst nach Stillstand des Wagens nur knapp zwei Meter vor dem Tier, nahm ich im Halbdunklen seinen mächtigen Körper wahr. Er ließt sich von den Scheinwerfern nicht irritieren, verharrte noch etwa eine Minute unbewegt, bis sich ein weiteres Auto aus der Gegenrichtung näherte. Dann trabte er erhabenen Hauptes über die Fahrbahn in den gegenüberliegenden Wald.

War da im Wald nicht eben ein Schatten oder haben sich die Äste bewegt? Im Auto kann man sich gut auf „Elchsafari“ begeben. Ansonsten sich am besten langsam und leise bewegen; auch raschelnde Kleidung wie Nylonjacken vermeiden und sich dem Tier möglichst nur gegen den Wind nähern. Zur Orientierung vorab ggf. nach Elchlosung suchen (dunkel-braune fast runde 2-4 cm große Kugeln) und dann an einer Stelle geduldig abwarten. Manchmal verirren sich (jüngere) Elche auch in Ortschaften und beginnen zu randalieren, wenn sie in den Fensterscheiben ihre Spiegelbild bzw. einen Rivalen sehen.

Der kleine Bruder von „Carl-Gustaf“

Ähnlich verhalten sich die Tiere, wenn sie eine Kamera entdecken. Entweder ist es ein Reflex der Linse oder das Klicken. Zuerst freute ich mich, daß ER endlich den Kopf drehte und in meine Richtung sah. Dann kam er rasch näher, bis ich geschwind den Rückzug antrat. Ob der Dämmerung hatte meine Kamera dummerweise automatisch geblitzt, was ER offensichtlich sehr irritierend fand. ER oder ich, da wollte ich es lieber nicht darauf ankommen lassen.

Jagdsaison, das „Oktoberfest“ der Schweden

Ein Tier mit gigantischem Geweih zu erlegen, ist der Traum aller Jäger. Aber gerade Bullen sind gute „Verstecker“ und lassen sich nicht so leicht aus der Deckung locken. Elche müssen gejagt werden, um den Bestand mangels (ausreichend) regulierender Raubtiere wie Bären oder Wölfe nicht zu groß werden zu lassen und ausreichend Nahrung und Baumschutz zu gewährleisten.

Die Jagd von Mitte Oktober bis Ende November ist für viele Jäger (und derer gibt es in Skandinavien viele) der absolute Höhepunkt des Jahres. Man nimmt ein paar Tage frei und manch einer kehrt sogar aus der Ferne in die Heimat zurück. Für Schweden ist die Elchjagd so eine Art „Oktoberfest“, das Spannung und Kameradschaft in der herbstlichen Natur bietet. Fast alle meine schwedischen Pharmakollegen und Ärzte waren dann immer auf dem Sprung und hatten keine Zeit. Begeistert und mit leuchtenden Augen erzählten sie mir am nächsten Tag dann vom Jagdverlauf. Auch König Karl-Gustaf und Königin Silvia seien Jäger. Die Elchwanderung ist für die Schweden so wichtig, daß sie in den Wäldern hunderte von Kameras aufgestellt haben, um die Tiere dabei täglich „live“ zu beobachten.

Allein in Smaland soll es ca. 30.000 Jäger geben und das Jagen ist nahezu für Jedermann erlaubt. Auf der Abschußliste stehen dann gut 8.500 Elche pro Jahr. Natürlich haben die Jäger dabei gewisse Kriterien wie Geschlecht, Geweihstruktur, Alter, Abstand, Quote  etc. zu berücksichtigen. Zudem gilt: kein Alkohol und  i.d.R. keine Hundehatz. Gejagd wird nur per „menschliche Treiberkette“ in Richtung schußsicherer Lichtungen mit Hochsitzen. Darüber, wie man einen Bestand und die Fleischqualität am besten pflegt sowie die günstigsten Bedingungen fördert, gibt es immer natürlich immer wieder Diskussionen. Der Schlachtwert des ausgenommenen, abgehäuteten Körpers ohne Beine und Kopf beträgt ca. 50% des Lebendgewichtes.

Das Fleisch ist zart, fettarm, proteinreich und hat einen kräftigeren Geschmack als Rindfleisch. Es ist (frisch und tiefgefroren) in vielen Lebensmittelgeschäften (auch in Norddeutschland in „Skandinavischen-Läden“) und Restaurants erhältlich. Am liebsten mache ich daraus ein Ragout, verfeinert mit Pilzen; dazu Kartoffeln oder Klöße mit Blaukraut. Elchfleisch ist geschmacklich milder, als das ebenso zarte, dunkelrote Rentierfleisch. Elchsalami trifft meinen Geschmack eher weniger.

Dominanz der roten Holzhäuser
Großer Findling
Eigener Bootssteg mit Kahn
Warme Sonne, aber kaltes Wasser

Jedermannsrecht und Jedermannspflicht

In Schweden bitte daran denken: Nur weil es so gut wie keine Zäune gibt, erlaubt dies zwar viele Freiheiten, bedingt verständlicherweise aber auch Rücksichten. NICHT erlaubt ist z.B.:

Private Grundstücke zu betreten bzw. den unmittelbaren Bereich um ein Wohnhaus; ohne Genehmigung des Besitzers mehr als eine Nacht zu zelten; an privaten Grundstücken zu baden, Boote anzulanden (Bootsstege gelten als Hausfriedenszone); in fremden Gewässern zu fischen; ohne Genehmigung zu jagen oder sich an Vogeleiern/ -nestern zu vergreifen; frisch eingesäte Acker- und Getreidefelder zu betreten; auf privaten Grundstücken Blumen zu pflücken, Kräuter oder Pilze zu sammeln; Büsche oder Bäume zu fällen; das Befahren von Privatstraßen; bei Brandgefahr Feuer zu machen und jeglichen Müll/ Abfall in der Natur zu hinterlassen.

Hei, hei … välkommen till Småland!

 

Anmerkung: Fotos PFritz, ergänzt um ein öffentliches Youtube Video der FAZ
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