Was gibt es nicht alles für Bezeichnungen und Geschichten über die kleinen Flugkünstler, die quasi mit den Ohren sehen bzw. sich per Sonarsystem bis 200 Kiloherz orientieren und tagsüber im Kopfstand in dunklen Ecken und Räumen zu Bett gehen.

Batmen, Flugsaurier oder Blutsauger dürfen in keiner Gruselstory fehlen. Zuletzt sollten sie sogar die Ursache für die Verbreitung des SARS- bzw. Covid-Virus gewesen sein. Aber warum ist das so bzw. was ist so besonders an Fledermäusen?

Fledermäuse sind gemeinsam mit den Flughunden die einzigen Säugetiere, die zum aktiven Flug befähigt sind, d.h. sie können auch vom Boden ab starten. Dabei sind die Flügel einer Fledermaus nichts anderes, als eine Hand mit langen Fingern und Flughäuten dazwischen. Der „Daumen“ besitzt überdies noch eine Kralle, die unter anderem zum Festhalten dient. Biologisch gesehen bilden Fledermäuse (Microchiroptera) gemeinsam mit den Flughunden (Megachiroptera) die Ordnung der Fledertiere. Mit weltweit rund 1420 Arten, ein Fünftel aller Säugetierarten, sind die Fledertiere nach den Nagetieren die artenreichste Ordnung innerhalb der Säugetiere. Mehr dazu z.B. unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Fledertiere.

Ja, fliegen, das können diese nachtaktiven Tiere. Wenn es sein muß, sogar schneller als ein Jagdfalke oder Mauersegler. Erst kürzlich wurde eine mexikanische Bulldogfledermaus mit knapp 160 Stundenkilometer gemessen. Die durchschnittliche Regelgeschwindigkeit beträgt jedoch nur um die 30 Stundenkilometer. Die Bulldogfledermaus ist somit – um in der Phantasiewelt der Trickfilmfiguren zu bleiben – in der Tat die schnellste „Maus“ Mexikos – eine echter Speedy Gonzales.

Bisher hatte ich nur die Gattung der Flughunde auf den Philippinen aus der Nähe beobachten können. Diese sind viel größer und können bei einer Flügelspannweite von 160 Zentimeter bis zu 40 Zentimeter groß werden. Anders als die kleinen Fledermäuse nehmen sie ihre Umgebung mit den Augen, nicht per Sonarsystem war. Den Moment mitzuerleben, wenn rund eintausend Tiere am Nachmittag von einem riesigen Papaya-Baum abheben, ist beeindruckend. Und das nicht nur, weil sich regelrecht der Himmel verdunkelt und der Lärmpegel zu einer sausenden Lawine anschwillt, sondern weil sie beim Luft aufwirbeln – gerade bei hohen schwülen Temperaturen – einen ziemlich unangenehmen Geruch hinterlassen. Das liegt zum einen an dem am Boden angesammelten Kot, zum anderen daran, daß sie sich teils von schon angegorenen Früchten ernähren; einige schienen dadurch regelrecht „high“.

Nunmehr hatte ich Anfang März im Rahmen einer Winterzählung des Arbeitskreises Fledermausschutz im NABU RLP einmal Gelegenheit, auch ihre kleinen Verwandten aus der Nähe zu beobachten. Mit Wolfram Blug (Fledermausbotschafter des NABU RLP) und vor allem Heinz Wissing, dem Fledermaus-Experten, Biologen und Buchautoren schlechthin, hatte ich höchst kompetente Begleiter. Zunächst geht die Monitoringfahrt in Richtung Südpfalz. Am Rande einer schmalen Landstraße erreichen wir nahe X-feld den ersten Standort und steuern auf ein unscheinbares Loch unterhalb eines Ackers zu. In der Tat befindet sich hier ein ehemaliger Rübenkeller, dessen „Eingang“ inzwischen mit einem Stahlgitter und speziellem Schloß gesichert ist. Eine gewisse körperliche Fitness sollte man für den nur ca. 60 Zentimeter hohen, abschüssigen Zugang schon haben und überdies schmutzunempfindliche, warme Kleidung samt Handschuhen tragen. Alle betreten die Höhle übrigens ohne irgend eine Maske (!), denn giftig ist Fledermauskot per se nicht. Zumindest wurde bis dato kein direkter Übergang von Viren auf den Menschen nachgewiesen (nachgewiesen ist einzig das sehr geringe Risiko einer Tollwutübertragung). Die im „Fledermausguano“ enthaltenen Viren und Bakterien sind überwiegend für die Zersetzung des Kots zuständig. Eine gewisse Vorsicht ist natürlich immer geboten.

Im unterirdischen 3-teiligen Lößbodenkeller herrschen das ganze Jahr über Temperaturen von 5 bis 7 Grad Celsius. Alle tragen Stirnlampen mit minimaler Helligkeit oder Rotlicht, um die Tiere in ihrem Winterschaf zwar zählen zu können, aber nicht zu erschrecken oder aufzuwecken. Zwei kleine Kameraklicks müssen der Fotodokumentation wegen allerdings sein. Immerhin könnte heute die magische Grenze von eintausend gesichteten Wimperfledermausexemplaren (myotis emarginatus) in der Pfalz gebrochen werden. Wie sich abschließend herausstellte, sollten es 995 werden.

Aktuell sind in Europa 51 Fledertierarten heimisch. Davon 25 in Deutschland und 22 in Rheinland-Pfalz. Wie zum Beispiel die Mopsfledermaus, Breitflügelfledermaus, Nymphenfledermaus oder die Wasserfledermaus. Wie ihr Name schon sagt, jagt sie knapp über der Wasserfläche, wobei sie die Schwanzflughaut häufig als Kescher verwendet. Weiterhin zu nennen wäre die Zwergfledermaus pipistrellus pipistrellus. Sie wiegt nur 3 bis 8 Gramm, paßt mühelos in eine Streichholzschachtel und mithin in kleinste Ritzen und (Haus-)Spalten. Sie ist deshalb auch unter den Dächern von Großstädten anzutreffen. Recht bekannt ist auch die sog. Hufeisennase, die bevorzugt in Gruppen von 20 bis 200 Tieren lebt. Nomen est Omen, denn auch in diesem Fall kann man vom Namen auf ihr Aussehen und/ oder den Aufenthaltsort schließen, wobei die einzelnen Arten perfekt an die Umgebung angepaßt sind.

Das größte rheinland-pfälzische Wintervorkommen von Fledermäusen findet man in der Eifel, im Mayener Grubenfeld. Mit rund 100.000 Tieren pro Jahr ist dieses Vorkommen sogar eines der größten Mitteleuropas. Die erste in der Südpfalz entdeckte Wochenstube der Wimperfledermaus war im Örtchen Schaidt; die erste überwinternde Wimperfledermaus fand man 1957 in einem Stollen in der Nähe von Niederschlettenbach.

Mit geschultem Auge entdecken meine Begleiter schnell einen Cluster von 21 Tieren an der Decke, in einem weiteren Raum fünf Einzelexemplare und einen weiteren Sechser-ClusterIm ein oder anderen Fall fachsimpeln sie über die Merkmale wie Ohrenform oder Größe, um die genaue Art zu bestimmen. Ist eine Wasserfledermaus dabei oder doch nicht? Nein, alles Wimperfledermäuse. Myotis emarginatus wiegt übrigens nur 7 bis 10 Gramm, wird maximal 5,0 Zentimeter groß, hat aber eine Flügelspannweite von ca. 23 Zentimetern. Sie gilt damit bereits als mittelgroße Fledermausart mit graubraunem, wolligem Fell auf der Oberseite. Die Körperunterseite ist heller gefärbt. Am Rand der Schwanzflughaut sind feine Härchen (Wimpern) zu finden, daher die Namensbezeichnung. Wimperfledermäuse bevorzugen klimatisch milde, offene Busch- und Waldlandschaften oder parkähnliche Anlagen, wo sie nach Schmetterlingen, Raupen, Netz-, Zwei- und Hautflüglern jagen. Als Sommerquartiere beziehen sie sowohl Dachböden als auch warme Höhlen, dabei ist auch die Wahl von helleren Räumen keine Seltenheit. Die Weibchen bekommen nur ein Junges und bilden manchmal große Wochenstuben mit bis zu 50 Tieren. Zur Überwinterung nutzen sie Spalten in Höhlen und Stollen und hängen dort frei an den Wänden oder von der Decke.

Und schon geht’s weiter, die französische Grenze entlang in Richtung X-bach im tiefsten Südpfälzer Wald. Die dabei u.a. genutzten Forstwege dürfen natürlich nur mit ausdrücklicher Genehmigung befahren werden. Die Fahrzeit nutze ich um Fragen zu stellen und erfahre u.a. etwas über die diversen Dilemmata des Fledermausschutzes. Laut W. Blug ist es weniger der Klimawandel, als der Rückgang der Biodiversität. Ab der Abenddämmerung jagen unsere 25 heimischen Fledermausarten vor allem Mücken, Larven, Blattläuse, Käferchen, Spinnen, Nachtfalter, etc. Um zu überleben, muss eine Fledermaus in der Aktivphase täglich bis zu einem Drittel ihres eigenen Körpergewichts fressen. Das entspricht bis zu zehn Gramm, allein in den Sommermonaten kommt so rund ein Kilogramm Insekten-Nahrung zusammen.

Während des „Winterschlafes“ kann respektive muß sie im Rahmen ihres „Energiesparprogramms“ ohne Nahrungsaufnahme ihre Herzfrequenz bis auf zwei Schläge pro Minute herunterfahren. In der Aufwachphase braucht sie ca. 20 Minuten, um zu sich zu kommen. Dabei bringt sie sich durch Muskelzittern auf „Betriebstemperatur“ und im wahrsten Sinne des Wortes in Fahrt. Wird sie zu früh geweckt oder gestört, kann das nach der sukzessiven Gewichtsaufzehrung über die Wintermonate fatale Energieverlustfolgen haben, die zum Tode führen können. Ihre Futterreserven trägt sie auf dem Rücken in Form kleiner Fettpäckchen/ -pölsterchen.

Ihr größter Feind – so Blug und Wissing – sei jedoch der „homo sapiens“ höchst selbst. Dabei betonen beide extra das „sapiens“. Man möchte es kaum glauben. Abgesehen von der Insektizidausbringung werden selbst massiv verschlossene Stollen und Höhleneingänge trotz Hinweisschildern immer wieder bewußt aufgebrochen und die Fledermäuse so nachhaltig gestört. Selbst eine Stahlkette wurde schon durchgesägt. Die Gründe dafür lassen sich nur ahnen, d.h. von okkulten Sitzungen bis neugierigen Schatzsuchern ist wohl alles dabei.

Gelegentlich können sie auch mal einem cleveren Marder zum Opfer fallen. Was dieser Spezies aber zunehmend zum Verhängnis wird, ist der Rückgang der Biodiversität, d.h. der permanente Entzug der Nahrungsgrundlage. Ferner der Quartier- und Biotopverlust, aber auch sonstige Gifte wie Holzschutzmittel oder Metamorphose-Hemmern im Obstbau, die sich im Fettgewebe anreichern. Weiterhin die Zunahme des Straßenverkehrs und der Windkraftanlagen (Schlagopfer), aber auch die umfassende Abdichtung von Hohlräumen zur Wärmedämmung an Häusern und Gebäuden. Hier würden einfach zu montierende Ersatzquartiere zu Abmilderung beitragen“. Da stoßen die verschiedenen Ansätze einer noch so gut gemeinten Ökopolitik ohne Frage an ihre Grenzen und werden von den einzelnen Gruppen teils auch vehement mit wenig Rücksichtnahme vertreten. Klassiker  Interessenkollision.

Durchschnittlich werden Fledermäuse um die 20 Jahre alt. Das Alter ist jedoch artabhängig (ca. 9 bis 41 Jahre). Interessant ist m.E., daß Fledermäuse bis zu zehn Mal älter werden als eine Spitzmaus.

Manche sind Einzelgänger, andere eher „Netzwerker“. Die Tiere an sich sind vollkommen harmlos. Man sollte sie – wenn überhaupt – jedoch trotzdem nur mit Handschuhen und sehr vorsichtig anfassen, um die Fledermäuse nicht zu verletzen! Sie greifen Menschen oder andere Tiere nie von sich aus an. Ein Zubiß – ihre einzige Abwehrmöglichkeit – erfolgt nur in absoluter Gefahrensituation, wenn ihr Leben bedroht ist.

Es bliebe noch so viel zu fragen und sagen, aber schon haben wir das nächste Ziel erreicht. Wiederum heißt es erst einmal mit ausreichend Manneskraft das gut gesicherte Eingangstor zu öffnen. Ein Sperber, der einen Kleiber verfolgt, saust dabei durch unsere Gruppe. Der Verfolgte konnte sich in den Stollen retten. Hinein geht es hier in besagten Höhlen ähnlichen Stollen, die im zweiten Weltkrieg der örtlichen Bevölkerung auch als Flucht- und Schutzbunker diente. Sorgsam tasten wir uns durch den etwa 150 Meter langen Stollen, den Blick stets auf die Decken und Wände gerichtet.

Registriert werden hier 2 kleine „Große Mausohren“ (frei hängend), sowie eine Bechsteinfledermaus tief versteckt in einem Bohrloch und 2 „Große Mausohren“ noch im Akt aufeinander hängendDank etwas „Such- und Blickübung“ kann ich jetzt optische Unterschiede erkennen. Die kleine myotis bechsteinii hat in ihrem Schlummer ein geradezu süßes Schnäutzchen. Während die anderen frei an nur zwei Krällchen hängen oder einfach an der nackten Felswand kleben, hat sie rückwärts in ein ehemaliges Bohrloch „eingeparkt“. Wie sie das bei Flugankunft macht, bleibt wohl ihr Geheimnis. Eine Bechsteinfledermaus wiegt 8 bis 12 Gramm, kann bis zu 5,3 Zentimeter groß werden und eine Spannweite von 28 Zentimeter erreichen. Ihr Fell ist eher braun und der Bauch weißlich eingefärbt. Im Sommer ist sie ein echter Waldbewohner und lebt in Baumhöhlen, scheint sich hier aber nun sichtlich sicher und wohl zu fühlen. Die eigentlich relativ großen Ohren sind kaum erkennbar und ganz fest angelegt. Bei den frei hängenden Tieren bildet sich auf dem Rücken durch Tautröpfchenanlagerung mit der Zeit ein seidig hellglänzendes Fell. Eigentlich möchte man diese possierlichen, zerbrechlich wirkenden Tierchen gerne streicheln.

Das Highlight sind freilich die beiden „Großen Mausohren“ direkt auf Augenhöhe, die offensichtlich schon seit Wochen übereinander im Paarungsakt an der Felswand verharren. Sie sind die größte Art in Deutschland, schaffen es auf 20 bis 40 Gramm Gewicht und ausgestreckt auf eine Länge von 6,5 bis 8,0 Zentimetern. Paarungszeit sei eigentlich im Oktober. Irgendwie typisch Mann: es einfach aussitzen und so mögliche Konkurrenten abwehren. Ist ja auch so bequem und das Weibchen hat es mithin doppelt warm. Unverkennbar sind sie deutlich größer und so lassen sich alle Körperteile auch im gefalteten Zustand explizit betrachten. Nach einiger Zeit kommt es bei beiden zu einem leichten Zucken und einer minimalen Repositionierung. Ein Zeichen, daß myotis myotis Veränderungen im räumlichen Umfeld wahrnimmt. Wir überlassen die beiden „fetten Brocken“ daher schnell ihrer weiteren natürlichen Entwicklung. Da Mausohren ansonsten nur im Wald jagen, bekommt man sie nur sehr selten zu Gesicht. Was für ein Glück.

Die vier Stunden sind wie im Fluge vergangen und ich bin den beiden Herren dankbar, daß sie mich an Ihrem Wissen und der Welt der Fledermäusen haben teilhaben lassen. Die Leute tun dies ehrenamtlich. Ihre Organisationen – NABU Rheinland-Pfalz und Naturschutzverband Südpfalz- benötigen aber ein gewisses finanzielles Polster, um hin und wieder schützenswerte Lebensräume zu erwerben. Manchmal geht es auch darum, den ein oder anderen Quartierbesitzer bei der fachgerechten Ausstattung oder Sanierung seines Dachstuhles zu unterstützen. Es kann nämlich sehr wohl zu Belastungen kommen, wenn sich zur Aufzucht weit über 100 oder gar 1000 Weibchen zusammenschließen. Bei solch großen Kolonien kommt es nicht nur zu einer immensen Geräuschkulisse, wenn die Weibchen zwecks Verständigung und Auffinden ihrer Jungen deutlich hörbare Sozialrufe (liegen nicht im Ultraschallbereich und ähneln einem Vogelgezwitscher) ausstoßen, sondern auch zu größeren Kotansammlungen. Zur Förderung der Koexistenz bzw. des friedlichen Zusammenlebens zwischen Mensch und Tier braucht es offensichtlich Anschub. Allgemein hin gelten auch Kuhställe als optimaler Nahrungsraum bestimmter Arten. Dort ist es immer schön warm und die Kühe sind stets von genügend Insekten umgeben.

Letztlich liegt alles entlang einer Nahrungskette. Wir können uns nicht einerseits beklagen, daß es immer weniger Biodiversität gibt, andererseits aber individuelle Energie- oder Ernährungsinteressen in den Vordergrund stellen. Analog des alten Mottos: „Ich habe nichts gegen Ausländer, aber bitte nicht in meiner Stammkneipe“.

Wer mehr über das vielfältige Leben der Fledermäuse wissen möchte, kann sich an die zuständigen Stellen (wie z.B. den NABU oder den Arbeitskreis Fledermausschutz) wenden oder leicht Auskunft über das Internet erhalten. https://rlp.nabu.de/tiere-und-pflanzen/saeugetiere/fledermaeuse/index.htm  Fledermäuse gibt es in Deutschland seit ca. 50 Millionen Jahren, seit 50 Jahren sind sie jedoch von der Ausrottung bedroht. https://nv-s.de/ sowie https://nv-s.de/spenden/

Jede der Organisationen freut sich über aktive oder finanzielle Unterstützung. Bei einer kleinen Spende auf dem Überweisungsträger ggf. den Zusatztext „Fledermausschutz“ vermerken. Auch in meinem Namen VIELEN DANK!

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