Am letzten September-Wochenende kamen die besten „Parkouristen“ der Schweiz in Basel zusammen, um in den Disziplinen „SPEED“, „SKILLS“ und FREESTYLE“ gegeneinander anzutreten. Das Event fand sowohl im „Overground-Zentrum“, als auch auf einem angrenzenden Erweiterungskurs außerhalb der Halle statt.

Dabei hatten die Zuschauer Gelegenheit hautnah dabei zu sein, wenn die Athleten ihre Übungen vorbereiten und absolvieren. Unter den Teilnehmern war u.a. kein Geringerer als der Weltmeister im Speed bzw. Free-Running Christian Harmat. https://de.wikipedia.org/wiki/Christian_Harmat

Gleich beim Betreten der Halle fällt ein Teilnehmer mit der T-Shirt-Aufschrift „Success is not Accident“ auf. Wie wahr, will man in dieser artistischen, jungen Trendsportart Erfolg haben, will jeder Schritt und Sprung über eine Mauer oder einen Abgrund aus luftiger Höhe wohl durchdacht sein.

Wie trainiert man so etwas bzw. braucht es neben dem Vertrauen in die Fähigkeiten des eigenen Körpers nicht auch ein gutes Auge und guten Orientierungssinn, um Distanzen entsprechend abzuschätzen etc.? Wie risikoreich ist so ein Run? Antworten darauf sollte ich ausreichend erhalten.

Über Mauern springen, auf schmalen Vorsprüngen balancieren und Hauswände emporklettern: Parkour-Läufer überwinden jedes Hindernis scheinbar mit Leichtigkeit und Anmut.

Per Definition ist „Parkour“ eine Sportart, bei der man sich ohne Hilfsmittel über Hindernisse wie Geländer, Treppen, Mauern und Häuser von A nach B bewegt. Idealerweise sollte man sein Ziel dabei möglichst effizient und kraftsparend erreichen, weswegen man dieses Metier auch alsKunst der effizienten Fortbewegungbezeichnet.

Die Parkour-Läufer*innen kombinieren dafür unterschiedliche Bewegungsformen wie Klettern, Springen und Laufen miteinander. Alles ist erlaubt, solange ausschließlich die Kraft des eigenen Körpers genutzt wird. Im Fokus stehen der Bewegungsfluss und die Bewegungskontrolle.

In der Regel findet Parkoursport im offenen Gelände statt, also mitten in der Stadt oder einem sonstigen öffentlichen Raum. Inzwischen gibt es für diese anspruchsvolle Sportart auch sog. Parkourhallen, wo der „Traceur“ Kraft, Kondition, Balance und Koordination bei der Überwindung der Hindernisse in Einklang bringen muß.

Beim Parkour-Training bleibt kaum ein Muskel verschont, ein wahrhaftes Ganzkörpertraining also. Man ist ständig in Bewegung und kann ohne Kraft, Ausdauer, Beweglichkeit und Fokussierung bzw. ein Gespür für Höhen, Tiefen und Distanzen sowie einem Höchstmaß an Geschicklichkeit die Hindernisse nicht erfolgreich überwinden. Somit hat Parkour auch etwas mit Denksport, Selbstdisziplin, Einschätzungsvermögen und Eigenverantwortung zu tun.

Wie gefährlich ist Parkour und in wie weit ist es überhaupt ein Wettkampfsport?

Natürlich birgt jeglicher Hindernislauf ohne Absicherung (sei es durch Haltegurte oder Matten) definitiv ein Risiko und jeder Fehltritt kann Verletzungen nach sich ziehen. Auch in der Schweiz ist der Parkoursport bzw. die Swiss Parkour Association (gegr. 2018) an den nationalen Turnerbund angegliedert, wodurch jeder Akteur durch diese Mitgliedschaft zumindest Basis versichert ist. Grundsätzlich wird angeraten, sich zunächst in einer Halle mit Matten an die Dinge heranzutasten und erst später draußen zu proben. Aber wahrscheinlich ist es genau der Freiheitsgedanke, den die Jugend – ähnlich den Skatebordern – in den (kostenlosen) öffentlichen Raum zieht.

Entwickelt wurde diese besondere Form der Fortbewegung übrigens vom französischen Soldaten und Feuerwehrmann Raymond Belle und dessen Sohn David in den 1980er Jahren. https://de.wikipedia.org/wiki/Raymond_Belle Diverse Spielfilme, Dokumentationen und Werbespots haben Parkour seit dem weltweit bekannt gemacht.

Als ich mit den jungen Leuten ins Gespräch komme, betonen alle zu meiner Überraschung tatsächlich die soziale Komponente und sagen: Parkour ist seinem Ursprung nach kein Wettkampfsport. Jede*r bewältigt die Strecken für sich, beim Training triffst du aber auf Gleichgesinnte und häufig tüftelt man gemeinsam an der effizientesten Route oder der erfolgreichsten Herangehensweise. Man paßt gewissermaßen auf einander auf und letztlich übt jeder solange, bis es klappt.

 

Was zunächst wie ein wildes Gewusel aussieht, unterliegt inzwischen doch gewissen Regeln, die auch bepunktet werden und ein Leistungsranking zulassen. Dabei beschreibt und definiert der „Technical Leader“ vor Beginn der Wertungsrunde von 30 Minuten, wie die insgesamt 12 positionierten „Obstacles“ zu absolvieren sind. Dies tut er in der Wettkampfsprache Englisch.

Neu ist der Versuch mit nur wenigen Wertungsrichtern in der Halle alle Teilnehmer gleichzeitig im Auge zu behalten, d.h. zu kontrollieren, ob sie die erforderlichen Hinderniskombinationen korrekt bewältigt haben. Im Zweifelsfall reicht auch die eigene Angabe über Erfolg oder Scheitern. Das klingt für mich sehr spannend, komme ich doch aus einer künstlerischen Sportart (Eiskunstlaufen), wo es immer wieder zu strittigen Preisrichterentscheidungen kommt. Die Teilnehmer und ein Mitglied der Wertungscrew verneinen dies vehement. Denn würde jemand schummeln, könnte dies ein Kollege gesehen haben und das in der Gemeinschaft keinen guten Eindruck hinterlassen. Man paßt also im doppelten Sinne aufeinander auf.

Bisher reicht es die Parkour-Stationen in irgendeiner Form bewältigt zu haben; Qualität oder Souveränität der Ausführung werden bei der Bewertung bisher nicht berücksichtigt. Auf Rückfrage bestätigt man mir, daß das Punktesystem sicher noch nicht ausgereift ist. Gerade im Freestyle könnte ich mir zu den „Moves“ auch passende „Vibes“, also etwas Musik vorstellen.

Hinsichtlich des Scorings macht es einzig einen Unterschied, ob man die vorgegebene Aufgabenstellung gleich im ersten Anlauf meistert oder erst im zweiten oder maximal dritten Versuch. Zwar sind alle Obstacle-Stationen gleichwertig, allerdings ist die Anrechnung der Punkte zugunsten eines Teilnehmers umso höher, je weniger Mitkonkurrenten den Abschnitt bewerkstelligen konnten. Will heißen: wenn 1000 Punkte pro Station zu vergeben sind und es nur einer schafft, wird ihm die gesamte Punktzahl zugeschrieben. Im Falle von zwei erfolgreichen Kandidaten*innen erhält jeder 500 Punkte. Bei vier erfolgreichen Parkouristen 250 Punkte, etc. Bei mehr als 10 Absolventen (im ersten Versuch) erhält jeder 100 Punkte. Mithin bleibt das Ranking bis zum Schluß recht unübersichtlich und kann in der Summe so manches Überraschungsergebnis liefern. Wobei, man kennt sich und ahnt, wer die Top-Platzierten sein könnten. Auch als Laie gewinnt man schnell einen Eindruck, wer schon ein echter „Champ“ ist.

Let’s Jam. Spätestens draußen sind alle in ihrem Element und Hüpfen und Springen was das Zeug hält. Da schießt einer in einer Hechtrolle zwei Meter weit über das Geländer bis zur Plattform, ein anderer balanciert über ein 2,50 hohes Stangengerüst, wieder andere (einschl. der vier Damen) schwingen in mehreren Kaskaden von Podest zu Podest oder springen mit Schwung eine niedrige Vertikalstange an – alles sehr tricky. Das braucht schon etwas Mut. Verletzt hat sich über den Tag tatsächlich niemand, auch wenn die ein oder andere Landung mal etwas unsanft geriet.

Für die Zuschauer ist es ein tolles Spektakel, vor allem wenn beim Freestyle mehrere Elemente wie in einer Kür an einander gereiht werden. Fast bin ich schon wieder aus der Halle, als mir ein junger Turner mit wohl definiertem Oberkörper abseits des Geschehens auffällt. Er gehört zum Hallen-Staff und studiert eigentlich Medien Design. Sein Spezialgebiet ist Calisthenic. https://de.wikipedia.org/wiki/Calisthenics und gerne posiert er nochmals vor der Kamera. Beide Hände auf die Pauschen stützen und schon schwingt er hoch in den Handstand und versucht einen einarmigen Balanceakt. Bravo!

An dieser Stelle „Dankean den Veranstaltungsleiter und „Technical Leader“ Shemaiah, daß ich kurzfristig schon am Qualifikationstag Zugang zur Halle hatte.

Allen Parkour-Freunden weiterhin viel Spaß und unfallfreies Gelingen. Was der Mensch nicht so alles macht/ kann. Hier noch ein paar Youtubes (das Öffnen kann etwas dauern) von Könnern wie Chris Harmat zum Genießen und Staunen: 

GoPro Awards Free Running Santorini/ Joel Eggiman (aufgenommen mit Helmkamera): https://www.youtube.com/watch?v=QhzDLYdyVLY

Gebrüder Storror (GB) Santorin: https://www.youtube.com/watch?v=xcSJuWo-fEM

print
Autor

Write A Comment