Per se ordnen wir Verwahrlosung zunächst einmal dem äußeren Erscheinungsbild von Menschen zu, bisweilen auch von Wohnungen. Es ist die Vernachlässigung, die fehlende Pflege, die wir mit diesem Begriff in Verbindung bringen. Verfallen, verwildern, herunterkommen – das sind die gängigen Assoziationen.

Dieser Tage musste ich viel darüber nachdenken. Es ist nicht der Punkt, dass viele Menschen ihre Jogginghosen gar nicht mehr ausziehen und wie selbstverständlich mit einem Just-Out-of-Bed-Look zum Bäcker schlurfen. Was mich umtreibt ist die Beobachtung, dass wir uns quasi in einem – uns auferlegten – komaartigen Wachzustand befinden, bei dem so ziemlich alles vernachlässigt wird.

Körper, Geist und Seele auf Entzug. Auf Entzug dessen, was uns vor Corona wie selbstverständlich täglich genährt und wenn man so will auch gepflegt hat. Reisen, Kunst, Kultur, Bildung, Ausgehen, Sport treiben, Menschen treffen. Das geht nach Monaten der totalen Abstinenz nun wieder eingeschränkt. Wenn es nicht einfach so drin ist im Leben, dann kostet es Kraft diesem komatösen Zustand zu trotzen, so meine Erfahrung. Man muss sich überreden. Zu Sport, zu geistigem Input, zu Kontakt halten, zu rausgehen und last but not least auch dazu, sich in einem normalen Maß schick zu machen. Das bedeutet nun nicht, sich gala-mäßig rauszuputzen, sondern einfach nur den üblichen optischen Anspruch zu pflegen 😊 – auch wenn man gerade nicht ganz so viel unter Leute kommt.

Best off Winter 2021
Besser dran sind unter den gegebenen Umständen jene, die zur Arbeit gehen, denn für sie läuft ein großer Teil des Lebens unverändert weiter. Die Millionen andere, die von zu Hause aus arbeiten, in Kurzarbeit oder gerade ohne Job sind, haben ihren Kampf mit Routinen und Gewohnheiten. Sprich einen Tag gestalten und strukturieren, den sozialen, kulturellen, sportiven, ja auch geistigen Entzug irgendwie kompensieren. Andererseits Herausforderungen gerecht werden müssen, die bisweilen alle Limits sprengen. Stichwort Homeschooling.

Auch die Kinder leiden. Neueste Studien weisen nach, dass sie der Entzug von Schule, dem sozialen Umfeld, den gewohnten Aktivitäten depressiv und traurig macht. Online zu lernen überfordert viele Schüler. Kein Wunder, sie haben es nicht gelernt. Die Lehrer übrigens auch nicht.

Lockdown
Das Leben auf >PAUSE<

 

Der Corona-Wahnsinn macht doch eine Menge mit uns. Ich stelle fest, auch mit mir. Ich bin zwar 30 Jahre Home-Office erprobt, zudem ziemlich diszipliniert und habe keine Probleme mit klaren Tagesstrukturen, dem Alleinsein und dem Mangel an Kommunikation. Trotzdem stelle ich fest, dass auch ich mich mittlerweile zu ein paar Dingen zwingen muss. In der Hauptsache zu Pausen. Ich neige nämlich dazu, die entstanden „Lücken“ mit Arbeit zu füllen. Die ausgefallenen Friseurbesuche, ein Wellnessvormittag, eine Freundin besuchen, mit meinem Mann essen gehen – verdammt, das ist alles in Arbeitszeit aufgegangen. Schlussendlich geht einem irgendwann auch das Xte Candle Light Dinner am heimischen Esstisch auf den Kecks. Und: oh Wunder, es ist immer noch Arbeit da. Der Zustand besorgt mich.

Bleibt zu hoffen, dass uns die 3. Welle nicht doch in ungeahnte Abgründe spült und die kleinen Lichter wieder ausbläst, die wir durch Impfungen und Schnelltests herbeigesehnt hatten. Oder was anderes. Neue Nachrichten sind eben auch nicht mehr, was sie mal waren. Die Corona CD auf Dauerschleife (jetzt Podcast oder so?) habe ich jedenfalls ziemlich über. Mir reicht’s!

Im Sommer 2021 wird alles besser… hoffentlich!

Anhänger

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