Seit mehr als 20 Jahren organisiert der Verein der „Plains-Indians“ jedes Jahr eine in Frankreich einzigartige Veranstaltung, das POW WOW FESTIVAL in Saverne (Lothringen).
Im Laufe eines Wochenendes lassen Hunderte von Darstellern und Ausstellern die Bleichgesichter an den Bräuchen und der Kultur der amerikanischen Ureinwohner teilhaben. 

Für kleines Geld finden auf dem vier Hektar großen Terrain drei Tage lang Kostümumzüge, rituelle Tänze, Konzerte und Reitershows statt; gerahmt von rund 70 Tipis eine einzigartige Kulisse. Natürlich ist auch für das leibliche Wohl gesorgt und an diversen Verkaufsständen kann der Besucher noch schnell ein passendes Outfit oder typisches Souvenir erwerben. Ich Ich liebe es, wenn sich auch die Besucher solcher Festivals zum Thema kleiden und habe dementsprechend meinen hellen Lederfransen-Poncho aus Kanada samt türkis-silbernen Navajo-Schmuck aus Arizona angelegt.

Während des Rundganges über das Gelände erfährt man viel über die Kultur und Lebensweise dieser First Nations; einschließlich ihren teils engen Bindungen mit Mutter Erde. Jede Nation bzw. jeder Stamm verfügt über sehr reiche künstlerische und handwerkliche Fertigkeiten wie Weberei, Tischlerei, Stickerei, Schneiderei, aber auch Malerei, Bildhauerei, Liedgut und Tänze.

Bei der Gestaltung der manuell gefertigten Tipis wurde versucht, die Kultur der „Plains-Indianer“ in der Zeit ab 1850 so weit wie möglich zu respektieren. Die Tipis sind zudem mit verschiedenen Alltagsgegenständen und Utensilien ausgestattet. Die Böden und die Bettsockel sind meist mit echten Tierhäuten (Bison- und andere Hirschhäute) bedeckt. Abends spendet das Feuer in der Mitte des Tipis Licht und Wärme.
Tipis gibt es in verschiedenen Größen, d.h. ihre Abmessungen variieren zwischen zweieinhalb und sechs Metern im Durchmesser, die Höhe kann an der Stangenspitze bei bis zu neun Metern liegen.

Gezeigt wird auch eine Vielzahl von Gegenständen, die die Indianer in ihrem täglichen Leben verwendeten. Als da sind: Waffen, Felle, Totems, Schilde, Mobiliar und sonstiger Hausrat. Ergänzt wird der Lagerkomplex durch einige Zelte der Fallensteller, einst rauer Gesellen, die meist in friedlicher Co-Existenz mit den Indianern in der Wildnis lebten. An der ein oder anderen Stelle kann man die „Bewohner“ auch bei der Arbeit, sprich bei der Anfertigung von Gegenständen des täglichen Bedarfs beobachten. Die Bearbeitung von Tierhäuten, Perlenstickereien und die Herstellung von Waffen und Messer veranschaulichen die Lebensgewohnheiten und Jagdtechniken vergangener Zeiten (bei allem Bemühen um Authentizität, sind statt Rauchzeichen hin und wieder moderne Kommunikationsmittel zu beobachten).

Am Eingang des Dorfes befindet sich u.a. ein Ausstellungsstand, an dem sich Interessierte über die Geschichte der Objekte sowie der Trachten und Traditionen verschiedener Indianerstämme informieren können, wie z.B. den Blackfoot, Lakota, Apachen, Pawnee, Hopi oder Sioux. Präsentiert werden original Kleidungsstücke, Schmuck, Gürtel, Taschen, Stirnbänder, Mokassins etc. sowie verschiedene Bücher über das Leben der Indianer. Ferner ist eine kleine Sammlung an Jagd- und Kriegswaffen wie Messer, Sägen, Speeren, Tomahawks, Pfeil und Bogen ausgestellt. 

Alle Objekte tragen eindeutige Identitäten und Eigenschaften. Dies können bestimmte Muster, Symbole und Farben oder Hinweise auf bestimmte für diese Nation bzw. den Stamm wichtige Motive sein.

Von Ferne höre ich Trommeln und die Schreie von Reitern in Aktion. Für eine gute Stunde lasse ich mich nun mitnehmen in diese aus Büchern und Filmen bekannte und doch so fremde bunte Welt der Indianer bzw. ihrer mit Herzblut nacheifernden Vertreter. Zweimal am Tag finden derartige Demonstrationen statt, die man auf keinen Fall verpassen sollte.

Aber, was ist ein Pow Wow eigentlich? https://de.wikipedia.org/wiki/Powwow

Der Begriff „Powwow“ stammt aus der Narragansett-Sprache, bedeutet so viel wie „er träumt“ und bezeichnet den Medizinmann (in seiner Eigenschaft als Orakel, Berater oder Heiler).  Ein Ursprung der Powwows sind die sog. Iruska-Tänze der „Pawnee Indianer“ auf den mittleren Great Plains der USA. Diese Tänze wurden seit den 1820er Jahren auch an deren Nachbarvölker weitergegeben. Männer und Frauen tanzen dabei häufig auch gemeinsam, wenngleich in unterschiedlichen Schrittfolgen und Rhythmen. Allgemeinhin versteht man unter einem Pow Wow eine Zusammenkunft von Personen indigener Herkunft zur Feier eines religiösen Ereignisses oder einer kriegerischen Heldentat. Vor allem aber ist es ein Fest der Begegnungen und Ausdruck der Identität der amerikanischen Ureinwohner. Tänzer und Trommler teilen ihre Kunst, ihr Wissen und ihre Expertise mit anderen Teilnehmern. Es ist eine Gelegenheit, Beziehungen aufzubauen, Ideen auszutauschen und Freundschaften zu erneuern. Momente der Wertschätzung und Weitergabe von Traditionen.

Der Pow Wow-Raum ist in konzentrische Kreise unterteilt, vom heiligsten bis zum profansten. Dabei steht der Kreis als Symbol für den Kreislauf des Lebens und die gegenseitige Abhängigkeit der Elemente des Universums. Der innere Kreis (Arena) ist dem Tanzen vorbehalten, meist sind dort auch Trommeln aufgestellt. Den sog. großen Auftritt leitet die Zeit ein, die dem Tanz und dem Trommeln gewidmet ist. Der Zeremonienmeister gibt das Signal zum Eröffnungslied, kündigt die Aufführungen an und erklärt die Tänze.

Vor dem Betreten des Tanzplatzes ist ein Reinigungsritual erforderlich. D.h. ein spiritueller Führer reinigt die Arena, die Menschen und die dort befindlichen Gegenstände, indem er heilige Kräuter ausräuchert. Die Reinigungszeremonien tragen dazu bei negative Gefühle im Geist der Menschen zu beseitigen und den Weg für gute energetische Schwingungen freizumachen. Zur Durchführung einer Reinigungszeremonie stellt der Älteste eine Mischung aus Salbei, Heu, Tabak und Zedernholz her, die er in einer Schale verbrennt. Abschließend führt er die (Muschel)schale über die Köpfe, Hände, Körper und schließlich die Füße der teilnehmenden Personen hinweg.

Ahnenkult, Tanz, Zusammenkunft, Austausch, Feiern – das alles ist ein Pow Wow!
Gerade dem Gedanken des Teilens kommt eine große Bedeutung zu, denn beim Teilen ist die Gleichheit von wesentlicher Bedeutung, sie ist die Essenz des Kreises. Deshalb finden die Tänze stets in einem großen Kreis statt. Auch wenn die Tänzer und Trommler dabei im Mittelpunkt stehen, sind auch die Zuschauer von wichtiger Bedeutung. Denn die Tänzer und Trommler kommen, um einen Teil ihrer Identität mit ihnen bzw. den Fremden in der Gemeinschaft zu teilen. Das Teilen von Energie, Präsenz, Interesse und Tanz ist ein speziell dafür vorgesehener Moment.
Jeder mit friedlicher Absicht ist willkommen. Je größer die Teilnehmerzahl, desto größer sind Austausch und Wirkung! Einen guten Eindruck geben die drei folgenden Videos:

 

Zweifelsohne sind Leidenschaft, Erfahrung und die Weitergabe von Wissen eine der Grundlagen für den Erfolg dieses Festivals. Niemand hier empfindet diese Tage als unangemessene Show oder gar „Kulturklau“. Weder die wenigen anwesenden gebürtigen Indios, noch die Vielzahl ihrer europäischen Nacheiferer. Vielmehr sollen so die First Nations durch ein möglichst authentisches gemeinschaftliches Nacherleben geehrt werden. Sich sprichwörtlich mit fremden Federn zu schmücken ist also ausdrücklich gewünscht bzw. erlaubt.

Mein persönliches Pow Wow Resumee:

Ein Fest der Begegnung mit Respekt und Weitergabe kultureller Bräuche kann m.E. niemals kulturelle Aneignung sein. Auch dann nicht, wenn sich der weiße Mann/ die Frau anderer Kontinente bunte Kostüme anziehen und Tänze anderer Völker nach original Choreographien interpretieren (nicht zu verwechseln mit wildem Western-Gehopse). Wenn dem so wäre, wäre jeglicher Migrations- und Integrationsgedanke in dieser globalisierten Welt von vorn herein obsolet.

Dieses Event und viele andere unserer Brauchtumsveranstaltungen sind KEINE Menschen-Schau (auch wenn es zur Verwandlung in einen traditionellen Mohren mal etwas schwarzer Schuhcreme bedarf). Wir sollten vielmehr froh über diesen Kulturaustausch sein, d.h. eine derartige Erfahrung im näheren Umfeld machen zu können ohne den weiten Weg nach Amerika antreten zu müssen. Einige der „Plains-Indians“-Darsteller pflegen übrigens engen Kontakt mit Stämmen in den betreffenden Reservaten und statten sich gegenseitig Besuche ab.

Jeder mag sich selbst ein Bild machen. Ich jedenfalls konnte überall nur freudige Gesichter und leuchtende Kinderaugen entdecken. Alle sind ehrenamtlich aus freien Stücken da und wollen diese Kultur mit Stolz und Würde repräsentieren. Sie sind eben auch dann eine Bereicherung, wenn ein Bleichgesicht bunten Federschmuck und Gesichtsbemalung trägt. Gingen nicht selbst die Rothäute seinerzeit Wahlverwandtschaften mit europäisch-stämmigen und anglophilen Blutsbrüdern ein?

Das nächste POW WOW findet übrigens Anfang August 2024 an gleicher Stelle in Saverne/ Steinbourg statt.

HOWGH – ich habe gesprochen. https://www.festivalpowwow.com/

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