28.10.2023 – ganz aktuell: Für einen anerkannten Guinessrekord sollten sich mindestens 100 Traubenvollernter in Neustadt an der Weinstraße versammeln und fünf Kilometer weit im nahtlosen Konvoi um Neustadt herum rollen. Die Teilnehmerzahl wurde jedoch deutlich übertroffen und im Guiness-Buch ist nun auch Neustadt an der Weinstraße vertreten.

Die „weltweit größte Traubenvollernter-Parade“ nimmt ihren Anfang im Technikzentrum Klein GmbH in Neustadt, das die Besitzer solcher Maschinen zu der Aktion eingeladen hatte. Gut eskortiert von Polizei und Feuerwehr starten die riesigen landwirtschaftlichen Maschinen mit etwas Verspätung um 14.30 Uhr zu Ihrer Tour vom Gewerbegebiet aus quer durch die Weinberge.

Die meisten Vollernter kommen aus der Umgebung von Neustadt, aber auch viele andere Orte wie Alzey, Bad Dürkheim, Mainz und der Bereich Südliche Weinstraße haben sich angeschlossen. Ja, sogar ein Fahrer aus Heilbronn (bei max. 40 Stundenkilometern) ist 106 Kilometer auf der Landstraße angerollt, um dabei zu sein.

Für alle Teilnehmer der nicht alltäglichen Parade gibt es kostenlose Verpflegung, aber natürlich ist auch für das Wohl der vielen Schaulustigen gesorgt. Zur Unterhaltung der Zuschauer bis zum Start gibt es eine  Ausstellung von technischen Gerät und an diversen Ständen natürlich auch Guiness-Bier.

Gerade bin ich zurück aus Neustadt und sichte mein Bildmaterial. Das Wetter war kalt und regnerisch, aber die Anwesenden – insbesondere der Winzernachwuchs von acht bis achtzehn – waren allseits interessiert und motiviert. Neben dem Rekord war es dem Veranstalter ein Anliegen, Weinbau- und Maschinenspezialisten auch einmal mit ganz normalen Leuten zusammenzubringen, die Wein sonst nur im Glas kennen.

Die Reihung und Größe der bunten Erntemaschinen war beeindruckend. Blitzsauber warteten sie bereits zwei Stunden zuvor auf ihren Einsatz und die Fahrer waren gerne zur Auskunft bereit. Auch mit ungeschulten Auge ließen sich verschiede Modelle erkennen, die ansonsten im Weinberg auf Knopfdruck die Arbeit erledigen: Entblättern, Rütteln, Ernten, Entstielen usw. Die Sicht von innen bzw. unten verdeutlichte umso besser die Funktionsweise (z.B. Schraubenwellen, Schnitter und Häcksler) der modernen Erntehelfer – von Personalmangel keine Rede. Zur Kompensation von Ernten in steileren oder abfallenden Lagen lassen sich die vier Achsen je nach Bedarf u.a. hydraulisch heben und senken (in extremen Steillagen kommt meist eine kleine Ernteraupe mit Kettenwalzen zum Einsatz, der auch extern gesteuert werden kann). Von oben hat man einen tollen Überblick. Hightech pur. Die größeren Maschinen kosten über EURO 300.000. Ich rechne kurz nach. Selbst wenn einige preiswerter sind, standen da rund 40 Mio EURO (!) Kapital. Meist sind sie gelased oder gehören einer Genossenschaft. Der kleine Ort Edesheim war beispielsweise gleich mit sechszehn dieser roten „Alleskönner“ vertretenDie Anschaffung/ Nutzung lohne sich, denn abgesehen von der Zeitersparnis fallen bei einer Handlese pro Hektar Kosten von 3.000 bis 4.000 Euro an.

Vor dem Start erfolgte ein ausführliches Fahrerbriefing. Die jüngste Fahrerin war 17 Jahre alt, der Älteste 88 Jahre. Generell aber ist die Winzer-Welt männlich. Organisator Klein höchst persönlich klärte noch einmal die unumstößlichen Guiness-Regeln auf, um das „Ding zu rocken“. Vorrangig waren/ sind dies: der Konvoi darf nicht ins Stocken kommen, die Räder müssen immer in Bewegung sein, es darf kein größerer Abstand als zwei Ernterlängen zwischen den Fahrzeugen entstehen und die Fünf-Kilometer-Strecke muß innerhalb von maximal zwei Stunden absolviert sein.

Um den geforderten reibungslosen Ablauf zu ermöglichen, standen unzählige Helfer und Streckenposten  als internes Kontrollteam bereit. Ihre orange-gelben Jacken trugen – typisch Pfälzisch – die Rückenaufschrift „Uffbasser“. So einfach war die Sache aber nicht, denn an unbekannten Stellen entlang der Strecke hatten sich anonyme Prüfer des aus England angereisten Guiness-Teams postiert, um Erfolg oder Mißerfolg zu verifizieren.

Als endlich der Startschuß fiel, brachten sich diverse Kamera-Teams in Stellung, um den Moment für die Ewigkeit festzuhalten. Ein Ernter nach dem anderen rollte schließlich durch das Starttor an mir vorbei durch das leider grau verhangene Weingebiet. Wie auch immer, sie haben es geschafft. Bravo!

print
Autor

Write A Comment