70 Kilogramm Sauvignon-Blanc Trauben zum Kilopreis von EURO 1,40 liegen vor mir in einem halben Holzfaß. Gelobt wird ihr Öchsle Grad (natürlicher Zuckergehalt zur Bestimmung des späteren Alkoholgehaltes) von 95, in der Tat ein Superwert und die Trauben schmecken anders als Riesling köstlich aromatisch. Konkret bedeutet dies 200 Gramm Zucker auf einen Kilo/ Liter Saft, also nichts für eine Diät.

Aber der Reihe nach: Nach langer Suche habe ich bei den „Vier-Jahreszeiten-Winzern“ endlich einen Ort gefunden, wo man auf Anfrage den Wein ausnahmsweise noch mit den Füßen treten kann. Ganz so, wie der Wein schon vor Jahrhunderten oder gar seit Jahrtausenden gekeltert wurde. Die ältesten Hinweise auf die Existenz des Weins stammen aus Georgien. Dort hat man Reste von Tonkrügen gefunden, die aus der Zeit um 6000 v. Chr. stammen und mit Traubenreliefs dekoriert sind.

In Friedelsheim (unweit Bad Dürkheim/ Pfalz) werde ich von Gutsverwalter Walter B. samt Kellermeister empfangen. Beide blicken noch etwas skeptisch, stimmen mir aber zu, daß man diese Erfahrung durchaus einmal machen sollte. Das Faß steht bereits direkt vor der eigentlichen Kelteranlage und die anderen Mitarbeiter sind vollends mit einer der letzten Pressungen für dieses Jahr beschäftigt. Überall stehen und lagern Bottiche und etliche 10.000-Liter-Fässer. Vor den Sauvignon-Blanc Trauben war der Chardonnay dran, den man im Laden gerade als Neuen Wein kaufen kann.

Und los geht’s: die erste Berührung mit den Trauben ist sehr zart und angenehm, weil sie durch einen Vollernter/ Rüttler weitgehend ohne Stile und Stengel geerntet wurden. Die Masse fühlt sich etwa so wie der schlammige Rand eines Moorsees an. Zu meiner Überraschung sind die Trauben – trotz des schönen Wetters – mit ca. 15 Grad Celsius allerdings kälter als gedacht. Man erntet u.a. deshalb bevorzugt in den frühen Morgenstunden, damit die Trauben entsprechend kühl bleiben, um den Gärprozeß von vornherein besser steuern und kontrollieren zu können.

Mit zunehmender Tretbewegung wird das Kältegefühl etwas gemildert und schon nach zirka drei Minuten sind erste kleine Saftlachen zwischen den Trauben zu sehen. Durch das Stampfen und Marschieren spritzt es beim Treten zunehmend, die Trauben werden glitschiger und man muß auf sein Gleichgewicht achten. Während in Deutschland für die normale Produktion niemand mehr Trauben per pedes keltert (ist je nach Menge auch recht zeitaufwendig kann selbst bei Kleinstmengen 1-2 Stunden dauern), trifft man diese Methode in Sardinien, Spanien und Portugal noch häufiger an. Insbesondere bei der erlesenen Portweinproduktion soll es nämlich sehr vorteilhaft sein, wenn beim Keltern/ Pressen die Kerne nicht beschädigt werden und so die Bitterstoffe nicht austreten.

Während ich so vor mich hin „matsche“, lerne ich im Gespräch, daß man trotz Trockenheit mit einem insgesamt guten Ernteergebnis bei guter Qualität rechne. Das Problem dabei sei weniger die reduzierte Menge, als dass die Reben angesichts des Wassermangels die typischen Bodenmineralien nicht in vollem Umfang aufnehmen, was zu einem leicht veränderten Geschmack führen kann. Als ich aussteige, fühlen sich die Füße ganz weich an, so als ob man eine dicke Schicht „Hydra-Creme“ aufgetragen hätte. Wie hoch der Zuckergehalt ist, spürt man extrem, denn bis auf Wadenhöhe fühlt sich alles klebrig an. Da hilft nur eine nachhaltige Reinigung mit Wasser und kräftiges Abreiben mit einem Handtuch.

Nun muß der edle Rebensaft natürlich noch in einen Transportbehälter gefüllt werden. Im Idealfall hat das Faß unten einen Auslauf-Hahn; hier muß der Saft aber per Hand abgeschöpft werden. Das dauert etwas, aber man kann dabei so herrlich Probieren. Lecker, was für ein Aroma. Der gesamte Gärprozeß dauert übrigens nur zehn Tage. Dann setzt sich die Hefe unten am Boden ab, stellt ihre Arbeit der alkoholischen Gärung ein und der eigentliche Reifeprozeß im Faß kann beginnen. So ein leichtes, frisches Weinchen erreicht dann schon nach 1-2 Jahren seinen Qualitäts-Peak. Der einzige Wein, der noch im selben Jahr nach der Ernte im Juli verkauft werden darf, ist der „Beaujolais Primeur“ aus dem gleichnamigen französischen Weinbaugebiet nahe Lyon. Ansonsten wird nichts an Biomasse verschwendet, denn aus den Traubenschalenresten, dem sog. Trester, kann man noch einen herrlichen Grappa brennen.

Der Begriff „Keltern“ stammt übrigens von dem lateinischen „calcare“ ab. https://de.wikipedia.org/wiki/Kelter Was für ein Vormittag. Im wahrsten Sinne des Wortes: „Mittendrin statt nur dabei. Es wurde viel gelacht und ich konnte den beiden Experten alle meine Fragen zum Thema „Weinproduktion“ stellen. Mit fünf Litern frischem Traubensaft und einer Flasche Neuen Wein aus dem Genossenschafts-Laden mache ich mich wieder auf den Heimweg. Zirka die Hälfte will ich als Traubensaft konsumieren, den Rest will ich zum Moussieren bringen. Den restlichen Saft, sprich Most, habe ich vor Ort zurückgelassen. In die offizielle Weinproduktion wird er jedoch nicht zurückgeführt, da dies u.a. nicht EU-Hygiene-Regel konform wäre.

Insgesamt werden von den „Vier-Jahreszeiten-Winzern“ 25 Hektar Rebfläche in Ungstein, Friedelsheim und Wachenheim bewirtschaftet. Neben den Weißen hat der traditionsreiche Winzerbetrieb (153 Jahre) auch Rotweine wie Merlot, Spätburgunder, Cabernet und Dornfelder im Sortiment. Klein, aber fein lagern sie alle in wohl klimatisierten Kellern und schlummern ihrer Verkostung und unserem Genuß entgegen.

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