Kein Aprilscherz – was es nicht alles gibt. Sie mümmeln, sie kuscheln und hoppeln munter umher, manche sind aber auch begeisterte Springer. Die Rede ist von Kaninchen, die gerne über kleine Hindernisse und Gräben springen oder einen Parkour entlang flitzen; sei es Outdoor an einer Leine mit Frauchen oder Herrchen an der Seite wie beim „Dog-Joering“ oder Indoor innerhalb einer kleinen Umzäunung. Sogar nationale und internationale Wettbewerbe (die Europameisterschaft 2024 findet Mitte Mai in der Schweiz statt) gibt es im sog. „Kanin Hop“, wobei die bunten Hürden wie eine Miniaturausgabe von Springreithindernissen aussehen.

„Genauso ist es“, bestätigt mir Fachfrau Jeanette Lörch von Kleintierzuchtverein Neulußheim (nahe Schwetzingen/ Nordbaden) bei. Bei der Hühner- und Kaninchenschau des KTZV Hockenheim hat sie also fast Heimspiel. Ich komme gerade recht, um den ersten Durchlauf der „Springkaninchen“ mitzuerleben. Der erste Kandidat scheint noch etwas schüchtern und schnuppert erst einmal die kleinen Stangen ab, die in der Eingangsklasse bei 10 bis 30 cm Höhe liegen, in der mittleren Schwierigkeitsklasse bei 35 bis 55 Zentimeter. Begleitet von Frauchen wird jedes einzelne Hindernis zunächst taxiert, dann aber geht die Post ab. Der nächste Artgenosse oder besser Artgenossin namens „Dori“ wirbelt sofort gekonnt im Kreis herum, so als wüßte sie genau, was von ihr erwartet wird. „Mr. Schlauberger“ versucht sich im Limbo bzw. unter den Stangen durch zu kommen. Ein braunes recht gewichtiges Männchen hingegen geht die Hindernisse zwar mutig an, räumt mit seinem Hinterteil aber auch fast alle Stängelchen ab; was ihn und seine Besitzerin aber keineswegs stört. Ein anderer Trainingskollege zieht zügig seine Kreise und strebt dann sofort dem Ausgang zu: gemäß dem Motto „Arbeit für heute erledigt, keine Lust mehr“. Hier wird kein Tier zu etwas gezwungen. Das ist den Kaninchenfreunden sehr wichtig, die das ganze Terrain liebevoll mit Stroh ausgelegt und an vielen Stellen Möhrchen platziert haben. Alle Tierchen wirken sehr relaxed und zutraulich und freuen sich über Streicheleinheiten – je mehr, umso besser.

Allgemein hin gelten Kaninchen als sehr lernfähig mit natürlichem Bewegungsdrang, was der „Sportart“ (mit Ursprüngen in Schweden vor rund 50 Jahren) sehr entgegenkommt. Schaut man genauer hin, scheint jeder „Hoppelmann“ so seinen eigenen Sprungstil zu haben. Einige schleichen gerade so flach über die Stangen wie nötig, andere fliegen mit ungeheurer Sprungkraft im Spagat geradezu über die Hindernisse. Ähnlich wie beim Springreiten, werden bei „Kanin-Hop-Wettbewerben“ auch die Punkte vergeben. Drei sog. Fehler, wie z.B. stehenbleiben oder umdrehen, summieren sich zu einem Punktabzug. In der ersten Runde geht es vorrangig um einen fehlerfreien Sprunglauf, in der zweiten um die erzielte Bestzeit. Die Summe aus beiden kürt den Meister, sprich „Meister Lampe“. Es ist schön, viele fachkundige Personen in der kleinen Halle an der Seite zu haben, die man jeder zeit ansprechen kann.

„Hasen gehören auf’s Feld, Kaninchen in den Stall“, so die Theorie. Alles hier sind Zuchttiere, die Rassenbezeichnungen wie „Burgunder“, „Rhön oder Blau Rexe“ sowie Widder (mit hängenden Ohren oder sagt man Löffel?) tragen. Die Vielfalt der Hasen- und Kaninchenrassen ist riesig. Sie reicht von Kleinstrassen, die ausgewachsen nur ein Kilogramm wiegen bis hin zum Deutschen Riesen mit über 10 Kilogramm. Doch auch die größeren Exemplare sind teils begeistert im Parkour dabei. Ihre Hindernisse sind entsprechend höher und breiter, ebenso der Abstand zwischen den Hindernissen, um mehr Anlauf nehmen zu können. Dafür sind Sprunghöhen von über einem Meter und Weiten um die zwei Meter keine Seltenheit. Im Schnitt wird ein Kaninchen  7-8 Jahre alt; in Ausnahmefällen bis 12 Jahre. Die größten natürlichen Feinde seien Marder und natürlich decke man Freigehege immer mit einem Netz gegen Greifvögel ab.

Der nächste Durchlauf beginnt. Am liebsten würde ich mal eine Runde mitlaufen. „Ja, einige Häschen würden mit Jedermann mitlaufen, andere nur an der Seite einer vertrauten Person. So unterschiedlich wie die Menschen, seien eben auch die Charaktere der pelzigen Vierbeiner“. Apropos Fell. Streicht man nach den Laufrunden über das Fell, ist der Körper deutlich wärmer als zuvor und man fühlt das Herzchen pochen. Sie sind einfach zu niedlich und die anwesenden Kinder sind schockverliebt und kaum mehr von den Kuschelhasen zu trennen. Dennoch gibt es in den Vereinen bei den Tierhaltern Nachwuchssorgen. „Die richtige Hege und Pflege mache eben viel Arbeit und sei kostspielig; Einnahmen fließen – abgesehen von Siegerschleifen – keine“, so Jeanette. Man sei froh, wenn es bei Meisterschaften „Futter-Sponsoren“ gebe.

Als ich mich wieder aufmache, bin ich fest entschlossen gleich ein paar (Oster)-kalorien abzutrainieren. Wie? Durch Laufen und Hüpfen natürlich, so wie die sportlichen Kaninchen.

 

Anmerkung: Die 3 Outdoorfotos sind Website von J. Lörch entnommen

 

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