Auf Einladung habe ich mal wieder das Privileg eine Sondervorstellung zu erleben. Genauer gesagt bin ich Matinee-Gast im Teatro Paravento“ in Locarno. Einem herrlichen Platz mitten in der Altstadt, mit kleinem historischen Theater-/ Kinosaal, großer Multifunktions-Gartenanlage und buntem Kaffee-Bar-Stübchen. Nicht umsonst heißt das Motto des Hauses: „Un teatro vivo nel cuore di Locarno“.

Seit 40 Jahren werden hier immer wieder neue Stücke herausgebracht; ganz nach dem Motto: „Klein, aber fein“. Parallel zum bekannten Locarno Film Festival, das alljährlich Anfang August stattfindet, gibt es hier ebenfalls zahlreiche Veranstaltungen. https://teatro-paravento.ch/de/home-deutsch/

https://www.ascona-locarno.com/de/commons/details/Teatro-Paravento/107113

Flügel bzw. Rückenwind brauchen die Kunstschaffenden nicht erst seit der Coronakrise im wahrsten Sinne des Wortes. Es war schon immer schwierig, sich als Darsteller jeden Tag neu zu erfinden und das Publikum mit Geist und Witz zu bereichern oder zum Lachen zu bringen.

Heute auf dem Programm: eine Mischung aus Comedy, Kabarett und Komödie. LUISA FERRONI hat den Einakter, der im Original fast eine Stunde dauert, nicht nur selbst geschrieben, sie interpretiert das Stück mit dem deutschsprachigen Titel „In den Warenkorb“ auch als Solistin. Das Thema verdeutlicht in sehr amüsanter Weise unsere schnelllebige globalisierte Warenwelt, die zwar eine Bestellung und Lieferung via Internet ermöglicht ohne das Haus zu verlassen, aber auch die Schattenseiten davon hervorbringt, wie beispielsweise Isolation, Werbemanipulation, Kaufsucht und Überschuldung – sprich neue Arten von Abhängigkeit schafft.

Das Licht geht an und auf der kleinen Bühne brennt die temperamentvolle Endvierzigerin von der ersten Sekunde an ein Feuerwerk an Wortsequenzen, Gesten, Mimik und artistischer Choreografie ab. Kurz, eine grandiose Parodie auf die aktuelle Smartphone-Shopping-Manie und Call-Center-Kultur mit höchst realem sozial-kritischen Hintergrund. Hier hat nicht nur das Objekt der Begierde einen Code, sondern wird auch der Kunde „Mensch“ letztlich zu einer Nummer degradiert. An ihrem Geburtstag wartet sie schließlich entnervt auf das längst versprochene Päckchen und betet wie ein Roboter diverse Male die elf-stellige Liefernummer verschiedenen Operator ins Ohr. Samt pointierter Gestik und Herumturnen auf diversen Paketen wird die Szenerie zu einer Reise um die Welt, die nur jemand übersteht, der mehrsprachig ist und seinen Charme einzusetzen weiß – herrlich. War doch der zuletzt bestellte Bananenspitzenschäler so pünktlich gekommen. Tja, warten auf ein oft vermeintliches Glück.

Dieses Mal spricht die Protagonistin den Text hauptsächlich in „Schwitzerdütsch“, wechselt je nach Fortgang aber auch mal nahtlos zwischen Deutsch, Italienisch, Französisch, Englisch und selbst Chinesisch hin und her. Während sie die ersten vier Sprachen fließend beherrscht, habe sie den chinesischen Text rein phonetisch gelernt. Ob dieser Frage muß sie schmunzeln und zeigt spontan ihr gewinnendes Lächeln.

„La“ Ferroni, die auch eine gute Musikerin (spielt mehrere Instrumente) und Schauspiel-Pädagogin ist, scheint eine Alleskönnerin und Familienmanagerin zu sein. Außerdem arbeitet sie regelmäßig für eine Schweizer Organisation, die in Deutschland unter dem Begriff „Clinik Clowns“ für kranke Kinder bekannt ist.

Luisa Ferroni, die mit einer langen Liste an Schauspielrollen aufwarten kann, ist viel unterwegs. Hier aber hat sie Heimspiel und kann sich ausprobieren. https://www.schauspieler.ch/actors/luisa-ferroni

Kaum ist der letzte Ton verklungen, gibt es sofort Manöverkritik. D.h. es werden mit dem ebenfalls anwesenden Direktor des Hauses Miguel A. Cienfuegos die noch kritischen Stellen diskutiert und eine weitere Stunde am Auftritt gefeilt. Für mich war bereits im ersten Durchlauf alles perfekt und souverän. Bravo!

Sollte Sie die nächste Reise mal wieder an den Lago Maggiore führen, erleben sie Luisa Ferroni und ihre Kollegen*innen bei einem Besuch im Paravento doch einfach mal live oder bei anderer Gelegenheit in TV oder Film.

Toi, toi, toi!

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