Ja, zur Zeit läuft es auf der Welt nicht wirklich rund und fast täglich gibt es neue Hiobsbotschaften. Aber die Nase von der hier die Rede ist, muß voll sein – so voll wie möglich.

An diesem September-Wochenende fand in Angelbachtal/ Odenwald unter der Ausrichtung des Yetl-Clubs die 22. Schnupfer-Weltmeisterschaft statt. http://www.yetl.de/ Was es nicht alles gibt. Schnupfer-Stammtische bzw. Freunde des „Schmalzlers“ kann man sonst fast nur im Alpenraum erleben – und natürlich auch auf dem Münchner Oktoberfest. Hier ist eine triefende Nase kein Kennzeichen einer Erkältung, im Gegenteil, hier genießt man nach dem Einschnaufen eines Pfriems vom Handrücken die Aromen und anregende Nikotinwirkung ohne die eigene Lunge oder die Atemwege des Nachbarn zu strapazieren. Während das Zigarettenrauchen seit Jahren rückläufig ist, zeigt sich beim Schnupfen eher ein zunehmender Trend.

Die Kandidaten legen los, das Publikum feuert sie klatschend an. Die Regeln sind einfach:

Jeweils drei Damen und/ oder Herren nehmen gleichzeitig auf dem Podium unter den strengen Augen des Schiedsgerichtes vor ihren Tabakboxen Platz. Jede/r Teilnehmer/in (Mindestalter 18 Jahre) erhält fünf Gramm Schnupftabak. Er darf nur mit ein oder zwei Fingern aus der Dose geschnupft werden. Die Wettkampfdauer beträgt eine Minute, in Zeitabständen von je 10 Sekunden wird die verbleibende Zeit angesagt. Die Tabakdose darf erst auf das Kommando “ Schnupfer fertig machen, Dose öffnen“ geöffnet werden. Wird mit dem „Schluß-Aus“ gerade noch eine Hand mit Tabak zur Nase geführt, darf dieser Tabak noch geschnupft bzw. in das Nasenloch gedrückt werden.  Die Hände müssen über die Serviette gehalten werden und werden von den Schiedsrichtern nach dem Wettbewerb abgepinselt. Schnupftabak, der während des Wettbewerbs auf die Serviette gefallen ist, darf nicht mehr geschnupft werden.

Während eines Wettschnupfens ist Niesen im Gegensatz zum Freizeitschnupfen natürlich sehr kontraproduktiv und kann zur Disqualifikation führen. Aber Keinem passiert dieses Mißgeschick und die Stimmung in der Halle nimmt schnell Fahrt auf.

Obwohl am Freitag, also am Vorabend der internationalen Veranstaltung, „nur“ ein Lokal-Wettkampf (das sog. Gerümpelturnier) stattfindet, der von der charismatischen Irish-Folk-Band „Garden of Delight“ gerahmt wird, sind alle bereits voll bei der Sache. Und selbst drei Schweizer Vertreter lassen es sich nicht nehmen, sich außer Konkurrenz schon mal „einzuschnupfen“. Zwei davon  waren bereits Weltmeister bzw. Weltmeisterin, wobei Damen und Herren in gemeinsamer Konkurrenz antreten.  Freilich entwickelt jeder Starter im Laufe seines Schnupferlebens seine eigene Technik, wie er den Tabak, genauer gesagt das feine Tabakpulver am schnellsten in das Nasenloch befördert und der „Snuff“ dort bis zum Abpfiff verbleibt. Die beiden Schweizer kriechen mit der Nase förmlich in die Dose hinein und schaffen es unter Bewunderung aller Umstehenden tatsächlich, daß so gut wie kein Körnchen mehr in der Dose verbleibt. Wow.

Am Ende folgt natürlich nicht das große Niesen oder Runterschlucken, den Teilnehmern*innen steht zur  Reinigung hinter der Bühne eine Nasendusche zur Verfügung. Hinter den Kulissen befindet sich ferner das wichtigste Instrument: die Feinwaage. Gemessen werden kann bis auf Tausendstelgramm und gewogen wird, was noch in der Dose ist. Der ultimative „Super-Schnupfer“ ist also, wessen Dose nur noch das Eigengewicht aufweist. Aus Sicht des Zuschauers ist es fast ein bißchen schade, daß nicht ab und an schon mal ein Wiegeergebnis auf einer Anzeigentafel veröffentlicht oder verbal bekannt gegeben wird; andererseits bleibt der Spannungsbogen ohne Zwischeninfo so bis zur Siegerehrung erhalten.

Aber was hat es eigentlich mit dem speziellen (Kau-)Tabak auf sich?

Schon Christoph Kolumbus staunte bei seiner Landung in der Karibik 1496 nicht schlecht, als er sah, wie sich die Ureinwohner getrocknete und geriebene Blätter in die Nase stopften. Es handelte sich um Tabak, der in Europa noch unbekannt war. Das fein gemahlene Pulver aus Tabak in unzähligen Geschmacksrichtungen ist bis heute ein beliebtes Genussmittel. Die erste Schnupftabak-Manufaktur der Welt entstand 1677 im spanischen Sevilla, die erste Deutsche 1733 in Offenbach/ Main.

Ich selbst bin keine Raucherin, rieche aber gerne die süßlichen, orientalischen Düfte einer gut gestopften Pfeife oder – ähnlich dem Whisky – die torfigen Noten einer  Zigarre. Einzig an einer Wasserpfeife habe ich bisher ein paar Züge genommen – in entsprechendem Ambiente sehr entspannend. Gott sei Dank treffe ich im Foyer der Sonnenberghalle auf den Verkaufsstand „PfälzerLandSnuff“ und einen wahren Meister seines Faches. Anläßlich der hiesigen WM hat er sogar einen eigenen Schnupftabak mit dem Namen „Yetl“ kreiert. https://www.pfaelzer-landsnuff.de/

Im Gespräch geht es zunächst einmal um die Frage, worin sich Schmalzler und Schnupftabak unterscheiden. Der Schmalzler (im süddt. Raum und Österreich teils auch Schmai genannt) wird aus dunklem Brasil-Tabak und einem speziellen Würztabak hergestellt. Der Schmalzler riecht erdig-würzig nach Tabak und wird kaum zusätzlich aromatisiert. Dieser Schnupftabak ist grober zerrieben und hat eine feste bis klebrig-feuchte Konsistenz. Der Schmalzler verdankt seinen Namen dem Schweinefett oder Schmalz, das früher in der Prise enthalten war, um sie weniger staubig zu machen. Der Nachteil war, dass der Schnupftabak nach wenigen Tagen ranzig wurde. Heute wird stattdessen ätherisches Tabaköl verwendet.

Aber genug der Theorie. Die vielen verschiedenen 10g Döschen sehen verheißungsvoll aus und das Pulver darin riecht verführerisch. Da ist von Honig-Nußaromen über Waldmeister und/ oder Spuren von Mentol bis hin zu neutralen oder harzig-holzigen Noten für jeden „Geschmack“ was dabei. Ich wähle den neuen „Yetl“ mit leichtem Rum-Kirsch-Aroma auf Kentucky-Tabak-Basis aus der Pfalz spontan zu meinem Favoriten. Aber wie kommt das Aroma in den Tabak, am besten alles ökologisch-biologisch mit natürlichen Aromen? Thomas Löcher beherrscht auch dieses Metier und gibt auf Nachfrage gerne darüber Auskunft. Der Wettkampftabak ist übrigens kaum oder gar nicht aromatisiert, was auch als gesünder für die Nasenschleimhäute gilt. Das Gerücht, das sich Profi-Schnupfer vorab die Nase dehnen, um mehr Tabak leichter hineinzubekommen, konnte mir übrigens niemand bestätigen. Vielmehr scheint im Rahmen des Wettkampfes die Nasen-Stopftechnik das Maß aller Dinge.

Probieren geht über Studieren und bis beim Kreieren das perfekte Mischungsverhältnis gefunden ist, vergeht – gleich einem Parfümeur – schon einige Zeit. In beiden Fällen spielt neben Wissen eine talentierte Nase jedenfalls die Hauptrolle – egal ob groß oder klein, voll oder leer.

 

P.S. Mein Dank gilt Herrn Kirsch für die Einladung.

 

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